Standpunkt

Sankt Martin statt Marketing

Veröffentlicht am 11.11.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Gelungene Werbung oder plumpe Anbiederung? Für Simon Linder geht diese Bewertung kirchlicher Projekte am Ziel vorbei: Die Kirche soll nicht für sich begeistern, sondern für die Menschen da sein. Der heilige Martin sei dafür ein gutes Vorbild.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Immer wieder ist zu hören, dass die Kirche eine bessere Strategie zur eigenen Vermarktung benötige: Wie können Gemeinden wieder für sich begeistern? Wie können Menschen in der Kirche gehalten werden?

Aus dieser Perspektive werden kirchliche Projekte bewertet, zuletzt etwa die vieldiskutierte Aktion in der Frankfurter Liebfrauenkirche, wo ein prominenter Tattoo-Künstler christliche Motive unter die Haut gestochen hat: Die einen sagen dann, dass sich mit einem solchen Angebot Menschen in die Kirche locken und begeistern lassen; die anderen wiederum bewerten eine solche Aktion als anbiedernd, außerdem würde sie Menschen nicht nachhaltig an die Kirche binden.

Ich halte beide Einschätzungen nicht für zielführend – weil in meinen Augen schon die Frage falsch gestellt ist. Bei kirchlichen Aktivitäten sollte es nicht selbstreferenziell um die Institution Kirche gehen – sondern um die Menschen. Das mag trivial klingen, könnte aber der entscheidende Perspektivwechsel sein: Wer das ernst nimmt, versucht nicht mehr, über neue Marketingstrategien eine Institution zu retten, sondern bemüht sich, inspiriert von der Botschaft Jesu, Menschen zu begleiten.

Dabei können wir uns am heiligen Martin orientieren, dessen Gedenktag wir heute feiern. Wir gedenken nicht etwa seiner, weil er strategisch klug überlegt hätte, wie er für sich begeistern kann – sondern weil er in einer herausfordernden Situation sofort geholfen hat.

Die Frage sollte also nicht sein: Wie können wir für Kirche begeistern? Sondern: Wie können wir als Kirche für die Menschen – und zwar nicht nur in Notsituationen – da sein? Das kann heute ein traditioneller Gottesdienst sein, morgen eine Tätowier-Aktion und übermorgen etwas ganz anderes. Wir sollten uns dabei gegenseitig die Freiheit lassen, die unterschiedlichsten Wege zu gehen.

Bevor wir dann darüber urteilen, ob eine Aktion gelungen war oder nicht, sollten wir bei den Menschen nachfragen: Warum seid ihr gekommen? Was nehmt ihr mit? Und: Hat es euch gutgetan? Wenn ja, hat es sich schon gelohnt. Wenn nein, haben wir etwas für unsere nächste Aktion gelernt.

Von Simon Linder

Der Autor

Simon Linder hat Katholische Theologie und Allgemeine Rhetorik studiert und arbeitet an einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt zum Thema "Streitkultur".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.