Diese Wege führen aus der Einsamkeit heraus
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Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das ist eine Binsenweisheit – aber mit einschneidenden Folgen. "Wenn der Kontakt zu anderen Menschen fehlt, beansprucht dieses Gefühl die gleichen Hirnareale wie körperliche Schmerzen", sagt die Psychologin Eva Wlodarek, die sich unter anderem als Autorin und auf ihrem YouTube-Kanal schon mit diesem Thema beschäftigt hat. Einsamkeit tut also weh – und ist schwer zu erkennen.
Denn Einsamkeit und Alleinsein sind nicht das gleiche. Ob jemand allein ist, sieht jeder Außenstehende ganz leicht: Alleine wohnen, Zeit für sich nehmen, nicht jeden Abend rausgehen. Alleinsein ist an sich nichts Schlechtes, nicht wenige Menschen empfinden es als Entspannung von langen Abenden mit Freunden oder dem Arbeitstag mit den Bedürfnissen vieler Mitarbeiter.
Einsamkeit ist dagegen ein Gefühl, das beinahe unsichtbar ist. Vielleicht sind es der traurige Blick oder die hängenden Schultern, die ein Hinweis sind. Ansonsten hat Einsamkeit keine sichtbaren Symptome für die Umwelt – für die betreffende Person dafür umso mehr. Denn sie plagt nicht nur die Einsamkeit an sich, sondern auch Scham. "Einsam zu sei, ist ein gesellschaftliches Tabu. Deshalb reden die Betroffenen nicht darüber und werden so noch einsamer – ein Teufelskreis", beschreibt es Wlodarek. Angst und Selbstzweifel befördern also noch mehr Einsamkeit.
Einsamkeit ist Alltag
Dabei ist Einsamkeit vor allem eins: Völlig normal. Jeder Mensch ist in seinem Leben mal einsam, sei es in der Identitätssuche während der Pubertät, wenn die Kinder aus dem Haus sind und es dort plötzlich ganz still ist, nach einer Trennung oder wenn ein lieber Mensch gestorben ist. "Einsamkeit kann immer passieren", so die Psychologin. Die Corona-Maßnahmen, die die sozialen Kontakte plötzlich heruntergefahren haben, sind nur ein Beispiel dafür.
Es gibt aber auch Menschen, die inmitten ganz vieler Menschen einsam sind. Hier sind innere Gründe die Ursache. Deren Wurzel reicht oft bis in die Kindheit, in der die Eltern selbst wenig Kontakte hatten oder es an Liebe und Vertrauen in der Familie gemangelt hat. Die Kinder, die sich dann in sich selbst zurückziehen, haben auch später Schwierigkeiten, aus sich herauszukommen. "Da hilft dann nur noch eine Psychotherapie, das geht nicht allein", weiß die Expertin.
Wer aus äußeren Gründen unter Einsamkeit leidet, kann hingegen leicht selbst aktiv werden. Ein Weg kann zum Beispiel eine ganz klassische christliche Tugend sein, der Dienst am Nächsten: Für die kranke Nachbarin einkaufen oder Kindern aus Familien mit Sprachproblemen bei den Hausaufgaben helfen. "Dann ist man nicht mehr so hilflos und merkt, dass man etwas bewirken kann – und kommt mit Menschen in Kontakt", so Wlodarek. Dazu kommt das klassische Konzept, eigene Interessen mit anderen zu verfolgen, sei es Singen, Häkeln oder Wandern. Das kann bei Menschen mit eingeschränkter Mobilität auch per Internet funktionieren.
Der Weg aus der Einsamkeit
Raus aus dem eigenen Kokon zu kommen, aktiv zu werden kann also ein Weg aus der Einsamkeit sein. Der setzt allerdings voraus, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Was interessiert mich, welche Ziele habe ich, wer bin ich? Das sind Fragen, die sich der Einzelne stellen muss, bevor er einen Weg in die Gemeinschaft sucht. Da kann es auch Nachholbedarf geben. Andere nicht zu Wort kommen zu lassen oder nur von eigenen Problemen zu sprechen, schwächt die Kontaktfähigkeit. Da helfen Rückmeldungen von anderen und die Arbeit an sich selbst. Denn für Kontaktfähigkeit und Small Talk gibt es Kurse und Ratgeber.
In diesem Reflexions- und Stärkungsprozess bietet sich auch der Glaube als Hilfe an. Einerseits bietet die Kirche zahlreiche Foren für Gemeinschaft, sei es im karitativen Engagement, einem Chor oder Bibelkreis. Andererseits ist der Glaube eine mögliche Hilfe dabei, Ziel und Richtung des eigenen Selbst zu finden. "Eine im Wortsinn religio, eine Verbindung nach oben zu haben, kann aus der Einsamkeit befreien", so Wlodarek. Entscheidend sei, sich des Problems bewusst zu werden, daran zu arbeiten und sich im Zweifel auch Hilfe zu holen. "Einsamkeit ist im Zweifel auch eine Chance zur Weiterentwicklung."
Rückschläge vorprogrammiert
Dabei sind natürlich Rückschläge vorprogrammiert. Nicht jeder neue Kontakt wird zu einer lang andauernden Freundschaft; mit der Zeit verlernt man es auch, unter Menschen zu sein, sich länger zu unterhalten. Zahlreiche Menschen berichteten nach den Corona-Lockdowns, dass sie soziale Kontakte eher ermüden als vorher. Auch hier gilt: Soziales Miteinander kann – und muss – man in solchen Situationen neu lernen. "Da ist durch die Angst vor der Ansteckung auch ein Stück weit etwas verloren gegangen", so Wlodarek. Sie rät, sich in kleinen Schritten ins soziale Miteinander zurückzutasten. Dazu gehört auch, frisch geknüpfte Kontakte nicht zu schnell zu stark zu beanspruchen – denn das sorgt eher für Abwehrreaktionen des Gegenübers.
Eva Wlodarek ist zuversichtlich, dass Einsamkeit überwunden werden kann. Es hänge zuallererst von der Aktivität des Einzelnen ab. Ein Leben ohne Einsamkeit ist also möglich – die Schritte dorthin bedeuten aber einen innerlichen Ruck, eine Kraftanstrengung, die jeder Einzelne selbst aufbringen muss.
Aktion #jetzthoffnungschenken
Die Zahlen sind erschreckend: Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich einsam. Und es sind nicht nur ältere Menschen betroffen. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Dabei reichen oft nur kleine Gesten wie ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein offenes Ohr oder etwas Zeit, um seinem Gegenüber Hoffnung zu schenken. Mit der Aktion #jetzthoffnungschenken will das Katholische Medienhaus in Bonn gemeinsam mit zahlreichen katholischen Bistümern, Hilfswerken, Verbänden und Orden im Advent 2021 einen Beitrag gegen Einsamkeit leisten. Erfahren Sie mehr auf jetzthoffnungschenken.de.