Bucher: Synodaler Weg rückt Reformdiskurs "ins Innere der Machtzone"
Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher rechnet mit einer nachhaltigen positiven Wirkung des Synodalen Wegs für die Erneuerung der Kirche in Deutschland. Während viele Inhalte des Reformprozesses bereits seit Jahrzehnten diskutiert würden, spreche sich nun erstmals auch ein Teil der Bischöfe offen für Veränderungen aus, schrieb Bucher am Mittwoch auf dem Onlineportal "feinschwarz.net". Diese Entwicklung stelle einen wesentlichen Unterschied zu früheren, gescheiterten Reformdialogen dar. "Das Neue des Synodalen Weges liegt nämlich in der Verlegung der diskursiven Frontlinie ins Innere der Bischofskonferenz und damit ins Innere der Machtzone", so der Theologe.
Inhaltlich betrachtet handle es sich beim Synodalen Weg im Kern um einen Prozess "nachholender Entwicklung", mit dem es die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ins Stocken geratene pastorale Wende aufzuholen gelte. Die Widersprüche zwischen der Lebenserfahrung der Menschen in einer freiheitlichen Demokratie und der kirchlichen Lehre hätten zu einer tiefen Glaubwürdigkeitskreise geführt, so Bucher. An dieser Krise drohe die Kirche zu zerbrechen, wenn sie "menschenrechtlich massiv problematische Identitätsmarker wie die Abwertung von Frauen oder Homosexuellen geradezu demonstrativ weiterführt, ja ausstellt". Laut dem Theologen liegen Lösungsvorschläge für diese Probleme bereits seit 50 Jahren vor, wurden bisher aber von der Bischofskonferenz abgeblockt.
Einbettung der Bischöfe bietet neue Diskursmöglichkeiten
Eine reale Erfolgschance des Synodalen Wegs sieht Bucher im Setting des Prozesses als "Eingebettete Bischofskonferenz" begründet. Dieses zeige sich schon in der Sitzordnung: "Das ZdK bettet die Bischofskonferenz in sich und weitere Vertreter:innen der organisierten Basis und der wissenschaftlichen Theologie ein und eröffnet damit den Bischöfen einen Diskursraum, der ihnen ansonsten offenkundig bislang zumindest öffentlich nicht möglich war." Zwar blieben Entscheidungen des Synodalen Wegs prekär, weil sie an eine ungewisse Zweidrittel-Mehrheit in der Bischofskonferenz gebunden seien, aber allein die "soziale Erfahrung eines mehr oder weniger gleichstufigen Diskurses" lasse sich nicht mehr rückgängig machen.
Aus diesem Grund ist Bucher überzeugt, dass es selbst bei einer Ablehnung der Reformversuche durch die deutschen Bischöfe oder durch den Vatikan zu Veränderungen kommen werde. Unumgänglich sei aber auch, dass sich in diesem Fall die "Delegitimierung der verfassten deutschen katholischen Kirche bei ihren eigenen Mitgliedern und in der deutschen Gesellschaft" weiter beschleunigen werde. Rainer Bucher ist Professor für Pastoraltheologie in Graz und war von 1994 bis 2013 Mitglied der Pastoralkommission des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). (mfi)