EKD-Ratsvorsitzende plädiert nachdrücklich für allgemeine Impfpflicht
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat sich nachdrücklich für eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus ausgesprochen. Sie halte es "für die Verpflichtung jedes Menschen, dazu beizutragen, dass wir diese große Gefahr miteinander abwenden können", sagte Kurschus im Interview dem "Deutschlandfunk" (Donnerstag). Aus "christlicher Nächstenliebe" heraus müsse dafür Sorge getragen werden, "dass die Schwächsten in der Gesellschaft nicht gefährdet werden".
Gleichzeitig warnte die Präses davor, mit religiösen Motiven gegen die Impfung zu argumentieren. "Da ist die Gratwanderung zwischen Gott vertrauen und Gott versuchen sehr schmal." Menschen, die aus diesen Gründen die Impfung ablehnten, "missbrauchen, was Gott den Menschen zugesagt und was er aufgetragen hat", betonte die Theologin.
Auch innerhalb der EKD gebe es ganz unterschiedliche Stimmen zum Thema Impfpflicht, die generell ihre Berechtigung hätten, so Kurschus. "Wir machen keinem die Tür in unserer Kirche zu; Kirche ist Heimat für alle Menschen, die dort Heimat suchen", betonte die Theologin. Dennoch sage sie Impfgegnern sehr deutlich, dass sie deren Haltung nicht akzeptieren könne.
Wenn es sich nicht mehr lohnt, in den Dialog zu treten
Bezüglich der Diskussionen zum Thema habe sie inzwischen einen "Lernweg" durchgemacht, erklärte Kurschus. Es entspreche zwar "dem Kern christlicher Ethik", anderen Leuten zuzuhören und andere Überzeugungen stehen zu lassen. Wo es jedoch nur noch darum gehe, "die eigene Befindlichkeit, die eigene Wut und die eigene Genervtheit" zu äußern, lohne es sich auch nicht mehr, in den Dialog zu treten, so die EKD-Ratsvorsitzende. "An manchen Stellen geht es gar nicht mehr um Fragen, ist das Impfen sinnvoll oder nicht, da möchten Menschen einfach nur sagen: 'Ich bin dagegen'."
Aus Sicht der EKD-Ratsvorsitzenden ist vor allem eine bestmögliche Kommunikation der Impfpflicht zentral. Die diesbezüglichen Empfehlungen des Deutschen Ethikrates empfinde sie als ausreichend dafür. Wichtig sei es nun, die Emotionalität aus der öffentlichen Debatte zu nehmen, sagte Kurschus. Die Spaltung der Gesellschaft dürfe nicht zusätzlich herbeigeredet werden. Äußerungen, wie die des Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Kubicki wies sie dementsprechend als "ungeheuerliche Behauptung" zurück. Der FDP-Politiker hatte Impfpflichtbefürwortern am vergangenen Wochenende "Rache und Vergeltung" als Motive unterstellt.
Bereits zuvor hatte Kurschus an die Vernunft von ungeimpften Menschen appelliert. "Alle, die in diesem Jahr zu Weihnachten einen Gottesdienst feiern wollen, werden dazu die Gelegenheit haben", sagte die EKD-Ratsvorsitzende der "Welt". Dies allerdings nach 2G- beziehungsweise 3G-Regeln, inklusive Prüfung von Impfzertifikaten. Vereinzelt gebe es Beschwerden von Ungeimpften, die Kirche verwehre ihnen den Zugang, räumte die Präses der Landeskirche von Westfalen ein. "Das Argument lautet: Jesus breite seine Arme für alle aus, da dürften wir doch niemanden ausschließen. Darauf antwortete ich: Gerade weil Jesus alle einlädt, muss sich jeder und jede Einzelne so verhalten, dass wirklich alle kommen können – auch die besonders Gefährdeten, ohne sich einem erhöhten Risiko auszusetzen." (tmg/KNA)