Ein Pastoralbesuch führt den Papst in eine arme Gegend Italiens

Der vergessene Winkel

Veröffentlicht am 03.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Papst Franziskus (links) begrüßt Gläubige, die ihm die Hand reichen oder ihre Fotoapparate hochhalten.
Bild: © KNA
Papst Franzisksus

Rom ‐ Gleich zwei Großveranstaltungen binnen einer Woche sind in der kleinen molisischen Regionalhauptstadt Campobasso eher die Ausnahme. Am vergangenen Samstag demonstrierten dort mehr als 10.000 Arbeitslose und Menschen, die Angst um ihre Jobs haben, für eine bessere Wirtschaftspolitik und für mehr Investitionen. An diesem Samstag nun werden noch viel mehr kommen - denn Papst Franziskus besucht die abgelegene mittelitalienische Region Molise.

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Wieder führt ihn ein Pastoralbesuch an eine Peripherie des Landes. Wie bei seinen Besuchen auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa , im wirtschaftlich angeschlagenen Sardinien oder kürzlich in Kalabrien, der Hochburg der organisierten Kriminalität, weckt das hohe Erwartungen. Wer nach Molise fährt, sucht einsame Wanderwege oder die kulinarischen Spezialitäten des bäuerlichen Italien. Wer Arbeit sucht, lässt die Gegend möglichst hinter sich. Molise ist der vergessene Winkel Italiens.

"Hilf uns, Heiliger Vater, damit die Regierung unserer Region mehr tut, um Lösungen für die Not auf dem Arbeitsmarkt zu finden, die Molise in die Knie zwingt", heißt es in einem Brief, den die Beschäftigten strauchelnder Unternehmen an den Papst geschickt haben. Mit 16 Prozent liegt die Erwerbslosigkeit über dem Landesdurchschnitt. Wenn Franziskus am Samstagmorgen mit dem Hubschrauber aus dem knapp 200 Kilometer entfernten Rom gelandet ist, trifft er zuerst mit Verlierern der italienischen Dauerkrise zusammen - und jenen, die fürchten müssen, es zu werden.

Mittagessen mit verarmten Menschen

Sicher wird seine Rede den Grundtenor der Sardinien-Reise im September 2013 berühren: "Ohne Arbeit gibt es keine Würde." Danach folgt der geistliche Höhepunkt des Besuchs, eine Messe auf einem früheren Sportgelände mitten in der 50.000-Einwohner-Stadt. Anschließend kommt Franziskus in der Kathedrale mit Kranken zusammen. Das Mittagessen will er gemeinsam mit verarmten Menschen einnehmen, die von der örtlichen Caritas unterstützt werden. Anschließend bringt ihn der Hubschrauber ins 30 Kilometer entfernte Castelpretoso. Das neugotische Marienheiligtum dort erinnert an Marienerscheinungen, die zwei Frauen der Gegend im Jahr 1888 erfahren haben sollen. Auch Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hat hier 1995 gebetet.

Bild: ©picture alliance/Robert Harding World Imagery

Papst Franziskus wird die Region Molise in Italien besuchen. Viele kommen dorthin, um zu wandern. Wer Arbeit sucht, zieht weg.

Vor der Kirche will Franziskus zu Jugendlichen sprechen. Sie leiden besonders unter der drückenden wirtschaftlichen Lage - jeder zweite zwischen 15 und 24 Jahren ist in der Region ohne Job. "Ich glaube, dass von diesem Besuch eine große Botschaft an die bäuerliche Welt ausgehen wird", sagt der Bischof von Campobasso-Boiano, Giancarlo Bregantini. Molise stehe für die vielen italienischen Landregionen, die auf neuen Mut warteten, um ihre wirtschaftlichen Probleme und die Zukunft in den Griff zu bekommen. Papst Franziskus schätzt den unverblümt auftretenden Bischof aus der Provinz, der im italienischen Episkopat zu den schärfsten Kritikern der Mafia zählt. In diesem Jahr übertrug ihm Franziskus die Gestaltung der Karfreitags-Meditationen.

Im Auto begibt sich der Papst am Samstagnachmittag zum nahe gelegenen Gefängnis von Isernia. Immer wieder hat er in der Vergangenheit die Begegnung mit Strafgefangenen gesucht; so auch in Kalabrien, wo er mehr Anstrengungen für eine Resozialisierung forderte. Strafe muss nach seinen Worten mehr sein als Bestrafung; am Ende soll die Vergebung stehen.

Festjahr für Papst Coelestin V.

Am Ende des päpstlichen Molise-Besuchs steht ein Zufall der Geschichte. Dann nämlich wird Franziskus offiziell das Festjahr für den großen Sohn Isernias, Coelestin V. (1215-1296), zu dessen 800. Geburtstag eröffnen: für jenen Papst also, der bis zum Amtsverzicht von Franziskus' unmittelbarem Vorgänger Benedikt XVI. als der letzte Nachfolger Petri galt, der freiwillig sein Amt niederlegte.

Schon in der Vergangenheit hat Franziskus klar gemacht, Benedikt XVI. (2005-2013) habe mit seinem Schritt eine Tür geöffnet, und er selbst werde sich irgendwann einmal die gleiche Frage stellen. Ankündigungen in diese Richtung dürften freilich das letzte sein, was die Menschen von Molise am Samstag hören wollen.

Von Christoph Schmidt (KNA)