Schönborn: Impfgegner und Coronaleugner in ihren Ängsten abholen
In der polarisierten Situation rund um die Impfpflicht und die Corona-Schutzmaßnahmen plädiert der Wiener Kardinal Christoph Schönborn für das sachliche Gespräch und versöhnliche Gesten. Es gelte, sich nicht mit tiefen Gräben abzufinden, sondern sie zu überwinden, erklärte der Wiener Erzbischof im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" am Freitag. Als konkretes Beispiel dafür nannte er einen gelungenen Brückenschlag zwischen Kirche und Sozialdemokratie in Österreich.
Notwendig sei es, die Impfgegner und Coronaleugner jetzt in ihren Ängsten abzuholen, so Schönborn. "Wir müssen zu verstehen versuchen, warum sie den Eindruck haben, dass die Wissenschaft einer weltweiten Verschwörung unterliegt und dass die Politik die Wahrheit vertuscht." Diese Ängste und Abwehrhaltungen seien mit bloßen Argumenten schwer zu überwinden. Skeptisch zeigte sich der Wiener Erzbischof gegenüber der Idee von Gegendemonstrationen von Impfbefürwortern. Dabei bestünde die Gefahr, dass sich Demo und Gegendemo gegenseitig hochschaukeln.
Gemeinsam Ziel anstreben
Insgesamt wünsche er sich, "dass es uns im neuen Jahr noch mehr und besser gelingt, als Gesellschaft zusammenzuhalten", sagte der Kardinal. Die Pandemie sei eine Herausforderung, "wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannt haben, familiär, individuell, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich". "Diese Herausforderung meistert man besser, wenn man das Ziel gemeinsam anstrebt. Die Nachkriegsgeneration ist dafür ein Vorbild. Da wurde auch gestritten, aber sie haben miteinander geredet und sich zusammengestritten", betonte Schönborn.
In Bezug auf die Flüchtlingspolitik sagte der Kardinal, Österreichs Bundesregierung der vergangenen Jahre sei hinter den Erwartungen der Bischöfe zurückgeblieben. "Wir sind aber laufend im Gespräch mit den Verantwortlichen. Nicht immer mit dem Erfolg, den wir uns wünschen. Was aber immer wieder gelingt, sind Lösungen in einzelnen, humanitär besonders tragischen Fällen."
Als positives Beispiel nannte Schönborn die Schaffung eines humanitären Korridors im Fall des Syrien-Kriegs. Damals seien über diesen Weg 2.500 besonders verletzliche Personen aus dem Kriegsgebiet nach Österreich gekommen, die heute gut integriert seien. "Dieses Modell hat sich als sicheres Mittel gegen das Schlepperunwesen bewährt. Ich bin zuversichtlich, dass es unter der neuen Bundesregierung einen Neustart geben wird", erklärte Schönborn. (KNA)