Wiedereintritt in die Kirche: "Ich werte die Motive nicht"
Zum Ende des vergangenen Jahres hat das Bistum Speyer sein Informationsangebot für Interessierte an einem Wiedereintritt in die katholische Kirche überarbeitet. So soll ein neu gestalteter Flyer über kirchliche Kontaktmöglichkeiten informieren. Über das Bistum verteilt sind zudem acht regionale "Kontaktstellen für Wiedereintritt" entstanden. Wer sich für einen Wiedereintritt entscheidet, soll mit einer Willkommensfeier in der entsprechenden Gemeinde aufgenommen werden. Es gehe dabei um ein Willkommenszeichen und um ein Signal, dass die Kirchentür allen offen stehe, betont Tanja Rieger, Referentin für Gemeindekatechese im Bistum Speyer. Sie ist die diözesane Ansprechpartnerin für Interessierte. Im Interview spricht sie darüber, was Menschen bei ihrer Entscheidung für einen Wiedereintritt hilft.
Frage: Frau Rieger, das Bistum Speyer will das Thema Wiedereintritt in die Kirche stärker in den Blick nehmen und weist auf sein überarbeitetes Informationsangebot hin. Inwiefern erschwert die kirchliche Lage – Missbrauchsskandal, schleppende Aufarbeitung, Reformstau – dieses Anliegen?
Rieger: Wenn man nur auf die Probleme blickt, ist es natürlich schwer, Menschen zu einem Wiedereintritt zu animieren. Aber sobald es über persönliche Beziehungen geht, ist es oft einfacher. Da hilft das Gespräch mit Ehrenamtlichen oder Mitarbeitern, die erzählen, wie sie mit der momentanen kirchlichen Gesamtsituation umgehen. Man kriegt dadurch quasi aus erster Hand einen Eindruck, was Kirche-Sein auch bedeuten kann. Das erlebe ich auch öfter, wenn ich angefragt werde. Da heißt es dann: "Warum arbeiten Sie bei der Kirche? Tun Sie das gerne?" Das Allerwichtigste ist dieses persönliche Zeugnis.
Frage: Wie läuft ein Wiedereintritt ab? Ist das nur eine Formalität oder muss man etwas dafür tun?
Rieger: Es ist eine Mischung aus beidem: Beide Seiten müssen etwas tun. Die, die sich für einen Wiedereintritt interessieren, müssen sich beim zuständigen Pfarramt melden und ihren Wunsch kundtun. Das geht aber auch über eine unserer speziellen Kontaktstellen im Bistum. Dann gibt es ein erstes Gespräch bei demjenigen, der sich um die Wideraufnahme kümmert. Meistens ist das der örtliche Pfarrer. Der füllt dann das entsprechende Formular aus und nimmt die notwendigen Daten auf, etwa das Taufdatum. Der Antrag wird anschließend an das Bischöfliche Ordinariat geschickt und vom Generalvikar genehmigt.
Frage: Werden bei diesem Gespräch auch die Motive des Wiedereintritts überprüft?
Rieger: So würde ich das nicht nennen. Es ergibt sich in den Gesprächen aber meistens automatisch, dass der- oder diejenige erzählt, warum er oder sie ausgetreten ist, damit das dann ein wenig aufgearbeitet werden kann. Den Menschen ist es wichtig, das loszuwerden. Dann geht es meist auch um die Gründe für den Wiedereintritt.
Frage: Welche sind das dann – gerade in der aktuellen kirchlichen Situation?
Rieger: Auch hier spielt oft der persönliche Kontakt eine große Rolle: Sie haben jemanden kennengelernt, der seinen Glauben so authentisch lebt, dass sie das beeindruckt. Oder es sind lebensverändernde Ereignisse, positive oder negative, sei es die Hochzeit, für die man seinem Partner zuliebe wieder in die Kirche eintritt, sei es ein Schicksalsschlag, nach dem man durch ein Gespräch mit einem Seelsorger wieder Kraft gefunden hat. Der Wiedereintritt hat oft mit persönlichen Erlebnissen zu tun. Da geht es nicht um kirchenpolitische Dinge. Manchmal gibt es aber auch einfach arbeitsrechtliche Gründe: dass man wieder in der Kirche sein muss, weil man einen neuen, kirchlichen Arbeitgeber hat.
Frage: Das geschieht also nicht immer aus voller Überzeugung?
Rieger: Ich werte das nicht, sondern freue mich trotzdem. Ich habe immer die Hoffnung, dass ein Wiedereintritt, egal aus welchen Motiven, zu einem neuen Bild von Kirche führt. Ich habe für die Kandidaten den Wunsch, dass sie engagierte Menschen treffen, gute Glaubenserfahrung machen, und irgendwann sagen, dass das ein guter Schritt war.
Frage: Welche Gründe gab es dann für den Austritt? Ist das die Unzufriedenheit mit der Kirche an sich? Oder sind es schlechte, eigene Erlebnisse mit der Kirche?
Rieger: In den meisten Fällen, von denen ich weiß, geht es tatsächlich um konkrete Erlebnisse mit Personen. Sie haben sich über den Pfarrer geärgert, über einen Mitarbeiter, meist im Zusammenhang mit kirchlichen Feiern. Ein großes Thema sind oft Beerdigungen von Verwandten oder Bekannten, nach denen sich Menschen enttäuscht abwenden. Ein großer Grund ist aber auch das allgemeine Bild von Kirche, das sie darstellt: Missbrauchsfälle, der Umgang mit Frauen, Zölibat und so weiter.
„Das, was wir begonnen haben beziehungsweise weiterführen, ist ein erster kleiner Schritt dahin, wie wir als Kirche unsere Haltung gegenüber Menschen, die auf der Suche sind, verändern – und das auch nach außen tragen.“
Frage: Die Zahl der Wiedereintritte liegt in der Diözese Speyer laut Bistumsangaben bei 150 pro Jahr. Provokant gefragt: In welchem Verhältnis steht da der Ertrag zum Aufwand?
Rieger: Das, was wir begonnen haben beziehungsweise weiterführen, ist ein erster kleiner Schritt dahin, wie wir als Kirche unsere Haltung gegenüber Menschen, die auf der Suche sind, verändern – und das auch nach außen tragen. Jeder, der wieder eintritt, ist mir den Aufwand, das Telefongespräch, den Info-Flyer, die Veranstaltung wert. Denn diese Gespräche, die da zustande kommen, helfen auch mir, die andere Seite der Realität – dass wir viel mehr Austritte haben – anders zu ertragen.
Frage: Braucht es grundsätzlich eine bessere kirchliche Willkommenskultur für Wiedereintretende – und wie könnte diese aussehen?
Rieger: Wir vom Bistum unterstützen das Willkommenheißen der Pfarreien durch eine jährliche Willkommens-Feier in Speyer. Wir laden ein, ins Gespräch zu kommen, mit uns und auch untereinander. Vor Ort hängt das von den jeweiligen persönlichen Wünschen oder Sehnsüchten ab. Pfarreien können schauen, wie man den Menschen eine Heimat in der Kirche bieten kann: was sie brauchen, was sie suchen, vielleicht auch neben dem Gottesdienst. Oder wie man sie mit anderen Menschen vernetzen kann. Wenn man die Gelegenheit nutzt, mit ihnen im Gespräch zu bleiben, sie zu begleiten, ist das schon ein guter Ansatz.
Frage: Sie sagen, die Tür für Wiedereintritte steht offen: Wer Interesse hat, kann sich an Sie oder andere Ansprechpartner wenden. Würden Sie es begrüßen, wenn die Kirche offensiver für Wiedereintritte wirbt?
Rieger: Ich würde das schon begrüßen. Das, was wir im Bistum Speyer anbieten, ist ja zunächst als erster Schritt gedacht. Aber die Kirche soll nicht warten, bis die Leute wieder zu ihr kommen, sondern gerne auch auf sie zugehen. Nicht im Sinne von "Ich muss euch alle wieder zurückgewinnen", sondern indem man klar macht: Es gibt so viel Gutes in der Kirche, Menschen, die sich mit viel Herzblut einsetzen, es gibt so viel Lebendigkeit, dass es sich lohnt, sich mit einem Widereintritt zu beschäftigen. Ich glaube schon, dass Kirche das offensiver angehen solle – ohne dabei den Leuten etwas überzustülpen. Ich stelle mir das eher im Sinne einer Einladung vor: Wir haben etwas Tolles zu bieten – das Evangelium von Jesus Christus, von einem liebenden Gott. Damit darf und soll man werben.