Pfarrer Bernd Mönkebüscher erklärt Queer-Kampagne

Mitinitiator von "#OutInChurch": Hinter jedem steckt Leidensgeschichte

Veröffentlicht am 24.01.2022 um 17:09 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die katholische Kampagne "#OutInChurch" hat am Montag viel Zuspruch erfahren. Mitinitiator Bernd Mönkebüscher erklärt nun einige Hintergründe – etwa, wie ihm die Idee zur Initiative kam. Auch Vertreter der Politik und ein Kirchenrechtler äußerten sich.

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Der Mitinitiator der Outing-Kampagne "#OutInChurch", Bernd Mönkebüscher, fordert eine neue Sexualmoral in der katholischen Kirche. "Die Kirche ist leider groß darin, Dinge wegzuschweigen und auszusitzen, aber ich erhoffe mir, dass das durch unsere Aktion nicht mehr geht", sagte der Pfarrer aus Hamm dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag. Bei der Aktion haben sich 125 Haupt- und Ehrenamtliche aus der katholischen Kirche als nicht heterosexuell geoutet. Ihre Forderungen formulierten die LGBTIQ+-Personen in einem am Montag veröffentlichten Manifest.

Die Idee zu der Initiative habe er durch die Aktion "#OutAct" gehabt, in der sich Schauspielerinnen und Schauspieler im Februar 2021 als queer outeten, erklärte Mönkebüscher. Der Veröffentlichung des Manifestes sei ein einjähriger Prozess vorangegangen, weil die Beteiligung so groß sei: "Das war gut, das hat der ganzen Sache gedient", resümierte der Pfarrer.

Mittlerweile seien die Beteiligten eng miteinander vernetzt, was ihnen den erforderlichen Mut zum öffentlichen Outing gebe. "Hinter jedem der Menschen verbirgt sich eine unglaubliche Leidensgeschichte, weil sie gegen Widerstand lernen mussten und müssen, sich so anzunehmen, wie sie sind", erklärte Mönkebüscher. Einige der beteiligten Kolleginnen und Kollegen hätten aufgrund ihrer Situation auch Selbstmordgedanken gehabt. "Es ist arbeitsrechtlich so, dass queere Menschen in verkündigungsnahen Berufen eine gleichgeschlechtliche Ehe nicht eingehen dürfen. Sie würden ihren Beruf verlieren", ergänzte der Pfarrer.

Unter Benedikt XVI. kaum bis gar nicht möglich

Dass sich einige von ihnen nun öffentlich zu ihrer Sexualität bekennen, sei auch durch die innerkirchliche Wahrnehmung von Papst Franziskus beeinflusst. Unter dem emeritierten Papst Benedikt XVI. sei das noch "kaum bis gar nicht möglich" gewesen. Mit den von der Initiative gestellten Forderungen sollten deutsche Bischöfe nun "den Vatikan bestürmen", erklärte Mönkebüscher. "Die Kirche muss ihre Sexualmoral ändern." Langfristig sollte das geltende Arbeitsrecht geändert werden, sagte der Pfarrer: "Ich weiß nicht, wie schnell das geht, aber man kann es ja durchaus erstmal aussetzen." Darüber hinaus forderte der Pfarrer die Politik zum Handeln auf: "Ein politisches Wort ist beschleunigend, dass Kirche sich aufmacht. Und ich glaube, es braucht diese Beschleuniger und letztlich auch die Hilfe von außen."

Nach der Veröffentlichung des Manifestes forderte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gesetzgeberische Konsequenzen. Niemand dürfe wegen seiner oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden, erklärte Buschmann am Montag in Berlin. "Bei allem Respekt vor dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht insbesondere im verkündungsnahen Bereich – dem muss auch die Kirche als einer der größten Arbeitgeber in Deutschland Rechnung tragen", ergänzte er. Buschmann verwies auf die Forderung im Koalitionsvertrag, das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz um das Merkmal der sexuellen Identität zu ergänzen.

Auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), äußerte sich und betonte dabei die Bedeutung des Dialogs zwischen Kirche und Politik. "Den über den Koalitionsvertrag geplanten Gesprächen mit den Kirchen möchte ich nicht vorweggreifen", sagte Lehmann am Montag in Berlin. Queere Menschen erführen immer noch Ablehnung und Diskriminierung in allen Lebensbereichen, so Lehmann. Ein Outing in der katholischen Kirche gehe zusätzlich mit einem beruflichen Risiko einher, da dieses eine Kündigung zur Folge haben könne. "Eine Änderung des Arbeitsrechtes ist allerdings nicht trivial", sagte Lehmann. Auch eine kurzfristige Aussetzung der für Kirchen geltenden Sonderregel sei nicht denkbar. "Sowas geht nicht kurzfristig und schnell, sondern überlegt und im Dialog mit den Kirchen", sagte Lehmann.

Bild: ©Privat (Archivbild)

Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier sieht wenig Rechtssicherheit für queere Katholiken.

Nach Einschätzungen des Freiburger Kirchenrechtlers Georg Bier haben queere, also nicht heterosexuelle Beschäftigte in katholischen Einrichtungen wenig Rechtssicherheit. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei mittlerweile zwar nicht mehr in jedem Fall ein Loyalitätsverstoß gegen das kirchliche Arbeitsrecht, erklärte der Theologe in einem am Montag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Beschäftigte könnten aber nicht sicher sein, dass es keine Auswirkungen auf ihr Dienstverhältnis habe: "Alles liegt im Ermessen des Dienstgebers."

Insbesondere bei Menschen im pastoralen Dienst oder bei Religionslehrkräften könne ein Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre schnell zur Kündigung führen, sagte Bier. Sie brauchen für ihre Arbeit einen besonderen kirchlichen Auftrag wie die "missio canonica". Für Priester gelte vor allem das Zölibatsgebot: "Einen Priester aus dem Klerikerstand zu entlassen ist deutlich schwieriger als einem Religionslehrer die missio canonica zu entziehen und ihm damit im Ergebnis seine Tätigkeit zu verbieten."

Zwar verbiete es eine kirchenrechtliche Ausführungsbestimmung, homosexuelle Männer zu Priestern zu weihen, so der Theologe. Diese Instruktion führt seiner Ansicht nach vor allem dazu, dass Männer ihre sexuellen Neigungen verschwiegen oder unterdrückten: "Sie führt aber sicher nicht dazu, dass homosexuelle Männer nicht mehr zu Priestern geweiht werden."

Traditionell sei deutsche Rechtsprechung kirchenfreundlich, aber...

Traditionell sei die Rechtsprechung in Deutschland sehr kirchenfreundlich – doch zunehmend bewerteten Arbeitsgerichte Entscheidungen der Kirche auch inhaltlich. "Der Kirche wird nicht mehr ein uneingeschränktes Recht zugebilligt, ihre Angelegenheiten wirklich völlig losgelöst von allen anderen Umständen zu ordnen und zu verwalten", betonte Bier.

Nicht im Blick habe der Gesetzgeber Menschen, die etwa transsexuell oder nicht-binär sind. Sie seien daher auch nicht implizit im Kirchenrecht berücksichtigt, erklärte Bier. Eine vertrauliche Note der Glaubenskongregation habe jedoch darauf hingewiesen, dass transsexuelle Menschen keinen Anspruch auf kirchliche Funktionen hätten: "Um kein Ärgernis zu erregen oder um keine Verwirrung zu stiften, sollten sie demnach eher nicht als Religionslehrer tätig sein oder Lektoren werden."

Die Aktion "#OutInChurch" hatte am Montag viel Zuspruch erfahren. Im Namen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erklärte Aachens Bischof Helmut Dieser, die Initiative sei ein Zeichen dafür, dass man daran arbeite, dass ein Klima der Angstfreiheit in der Kirche entstehen müsse. "Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner geschlechtlichen Identität diskriminiert oder abgewertet oder kriminalisiert werden." Positiv äußerten sich auch der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers und der Hamburger Erzbischof Stefan Heße über die Initiative. Auch rund 30 katholische Verbände und Organisationen solidarisierten sich mit der Aktion. (tmg/epd/KNA)