"Betroffenheitsbekundungen der Bischöfe abgenutzt"

Dogmatiker Tück für liturgischen Tag der Buße wegen Missbrauch

Veröffentlicht am 26.01.2022 um 13:56 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Die Empörung in der Gesellschaft angesichts des Missbrauchs wächst, immer mehr Katholiken wenden der Kirche ihren Rücken zu. Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück sieht deutlichere Zeichen als Betroffenheitsbekundungen von Bischöfen an der Zeit.

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Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück spricht sich für einen Gedenktag der Buße im liturgischen Kalender der katholischen Kirche aus. In einem Beitrag für das Portal "katholisch.at" (Dienstag) schrieb Tück, dass die Empörung in der Gesellschaft angesichts des Missbrauchs in der Kirche und die schleichende Abkehr vieler Katholiken von der Kirche so groß und dramatisch seien, "dass man einen Akt der öffentlichen Buße und Trauer fordern könnte". Betroffenheitsbekundungen vieler Bischöfe hält Tück inzwischen für abgenutzt. Für öffentliche Bußakte gebe es in der Bibel bei Königen und Propheten Beispiele, wie sie "ihrer inneren Erschütterung sichtbaren Ausdruck" gegeben haben, indem sie ihre Gewänder öffentlich zerrissen. "Auch wenn eine solche Geste heute nicht einfach imitierbar ist und zu theatralisch wirken würde, gäbe es gewiss symbolische Zeichenhandlungen, die sprechender wären als Worte", so der Theologe.

Mit Blick auf die Stellungnahme des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Münchner Missbrauchsgutachten stellte Tück eine Diskrepanz zu seinem empathischen Handeln als Papst gegenüber Betroffenen fest. Benedikt XVI. hatte sich als erster Papst mit Betroffenen getroffen. Die aktuelle Stellungnahme erwecke dagegen den Eindruck, dass die Geschehnisse aus seiner Zeit als Münchner Erzbischof relativiert werden sollten. "Es fehlt die Empathie mit den Betroffenen und ihren Angehörigen, wie sie in Malta sichtbar geworden war", so Tück. Auch wenn dem emeritierten Papst das Recht zur persönlichen Stellungnahme selbstverständlich zustehe, stelle sich doch die Frage, ob es in der Stunde einer so massiven Krise ausreiche, sich auf Angaben zur persönlichen Rechtfertigung zu beschränken. "Müsste hier nicht deutlicher auch die Mitverantwortung für das systemische Versagen der Kirche übernommen werden?", fragt der Wiener Dogmatiker.

Benedikt könne Franziskus um Gedenktag bitten

Als Theologe habe der emeritierte Papst für Fragen der Liturgie stets ein "waches Sensorium gehabt". Er könne daher "in kreativer Fortschreibung zu den Großen Vergebungsbitten im Jahr 2000" den Papst bitten, einen Gedenktag zur Buße einzuführen. "Hier könnte die Reue (contritio), das öffentlichen Bekenntnis (confessio), aber auch die Selbstverpflichtung zu praktischen Maßnahmen der Wiedergutmachung (satisfactio) in das lebendige Gedächtnis der Kirche dauerhaft eingeschrieben werden", schlägt Tück vor. Papst Johannes Paul II. hatte zu Beginn der Fastenzeit im Heiligen Jahr 2000 ein Schuldbekenntnis für Sünden von Katholiken in der Geschichte abgelegt und um Vergebung gebeten. Im Namen der Kirche bat er vor Gott für Fehlleistungen von Gläubigen gegen Toleranz, Ökumene, gegen Frieden und Menschenrechte sowie gegen die Würde der Frau um Verzeihung. Unter den sieben Kardinälen, die an dem Ritus beteiligt waren, war auch der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger.

Bereits 2018 hatte Papst Franziskus auf Vorschlag der vatikanischen Kinderschutzkommission die nationalen Bischofskonferenzen gebeten, einen Gebetstag für Opfer sexualisierter Gewalt einzurichten. In Deutschland findet seit 2018 im zeitlichen Zusammenhang mit dem "Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch" am 18. November ein Gebetstag für Betroffene sexuellen Missbrauchs statt, für den es zwar auch liturgische Arbeitshilfen gibt, der jedoch weder im deutschen regionalen wie im weltkirchlichen liturgischen Kalender verankert ist. (fxn)