Standpunkt

Die kirchliche Fixierung auf Paragraf 219a ist nur schwer verständlich

Veröffentlicht am 18.02.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Das Werbeverbot für Abtreibungen wird wohl fallen – zum Ärger der Kirche. Deren Argumente in der Debatte findet Steffen Zimmermann wenig überzeugend. Die Kirche solle sich beim Lebensschutz besser für einen anderen Paragrafen engagieren.

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Es ist das erste große gesellschaftspolitische Projekt der Ampelkoalition: die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 219a. Mit Macht hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) seit Jahresbeginn die geplante Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen vorangetrieben – und sich dabei vor allem massive Kritik der katholischen Kirche eingehandelt. Unter anderem mehrere Bischöfe und die beiden großen Frauenverbände kritisierten das Vorhaben der Ampel und äußerten ihre Sorge vor einer Aushöhlung des Lebensschutzes.

Dass gerade die Frauenverbände sich so eindeutig an die Seite der Gegner einer Abschaffung des Paragrafen stellten, überraschte. Vor allem auch, wie sie es taten. Dass die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – und CDU-Bundestagsabgeordnete – Mechthild Heil im Januar das Szenario von Werbebannern in S-Bahnen entwarf, "auf denen dann um das günstigste Abtreibungsangebot gefeilscht wird", war eine maßlose Übertreibung. Man soll gerne über Gesetzentwürfe streiten – aber bitte nicht mit populistischen Scheinargumenten. Anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung ist schon allein nach den Berufsordnungen der Ärztinnen und Ärzte verboten. Alle Experten sagen voraus, dass es nach der Streichung von 219a keine entsprechende Werbung für Abtreibungen in Deutschland geben wird.

Die kirchliche Fixierung auf den Erhalt des Paragrafen ist ohnehin nur schwer verständlich. Denn anders als von kirchlicher Seite gerne behauptet, hat der Paragraf nicht zu einer Befriedung der kontrovers geführten Debatte um Schwangerschaftsabbrüche beigetragen. Vielmehr hat er diese Diskussion in den vergangenen Jahren erst richtig angeheizt. Hinzu kommt: Der Paragraf ist viel zu unkonkret formuliert und damit anfällig für Missbrauch. Denn was genau unter verbotener Werbung zu verstehen ist und wie Ärztinnen und Ärzte schwangere Frauen in Not über eine Abtreibung informieren dürfen, ist auch durch die Überarbeitung des Paragrafen im Jahr 2019 nicht viel klarer geworden.

Der Schutz des ungeborenen Lebens, für den sich die katholische Kirche aus guten Gründen einsetzt, hängt nicht von Paragraf 219a ab. Hierfür ist Paragraf 218 entscheidend. Anstatt sich also in Scheingefechten um das Werbeverbot aufzureiben, sollte sich die Kirche lieber mit ganzer Kraft und guten Argumenten für den Erhalt von Paragraf 218 engagieren. Dies wäre umso wichtiger, als es im Bundestag ja bereits erste Stimmen gibt, die auch diesen Paragrafen gerne abschaffen möchten.

Von Steffen Zimmermann

Der Autor

Steffen Zimmermann ist Redakteur im Korrespondentenbüro von katholisch.de in Berlin.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.