Wilmer zu Missbrauch: Kirche kann kein geschlossenes System mehr sein
Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer plädiert dafür, dass der Staat eine größere Rolle bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche übernimmt. Wenn die Staatsanwaltschaften noch stärker als jetzt die Initiative dazu übernehmen wollten, sei er sofort dazu bereit, sagte Wilmer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er begrüße es, dass die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag die Aufarbeitung zumindest begleiten und kontrollieren wolle.
Weiter sagte der Bischof, für eine Aufarbeitung sei es grundsätzlich wichtig, dass externe Fachleute beauftragt würden und diese wirklich freien Zugang zu allen Akten hätten. "Es kann nicht sein, dass die Kirche angesichts von Verbrechen eine Binnenstruktur aufrechterhält. Die Zeit, in der die Kirche ein geschlossenes System war, ist definitiv vorbei."
"Paradigmenwechsel und in der Kirchengeschichte völlig neu"
Hildesheim installiere deshalb auf der Ebene der Metropolie, also gemeinsam mit den (Erz-)Bistümern Hamburg und Osnabrück, eine Aufarbeitungskommission, erläuterte Wilmer. Zu ihr gehörten Betroffene, von den fünf norddeutschen Landesregierungen benannte Expertinnen und Experten sowie kirchliche Fachleute. Letztere seien in der Minderheit. Diese Gruppe werde die Aufarbeitungsprozesse und alles, was daraus folgt, steuern. "Das ist ein Paradigmenwechsel und in der Kirchengeschichte völlig neu."
Zuletzt war ein Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising veröffentlicht worden. Darin werfen Anwälte allen Münchner Erzbischöfen seit 1945 sowie weiteren kirchlichen Verantwortungsträgern vor, im Umgang mit Missbrauchsfällen Fehler begangen zu haben. Die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte zwischen 1945 und 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt sowie 235 Täter gefunden. (tmg/epd)