Schönborn und Seewald verteidigen den emeritierten Papst

Bischof Ackermann lobt Kardinal Marx und appelliert an Benedikt XVI.

Veröffentlicht am 28.01.2022 um 12:46 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens und der gestrigen Pressekonferenz des Erzbistums gibt es weitere Reaktionen. Die reichen vom Lob für Kardinal Marx über Appelle an Benedikt XVI. bis zur Verteidigung des Emeritus.

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Der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Stephan Ackermann, hat die Reaktion von Kardinal Reinhard Marx auf das Münchner Missbrauchsgutachten begrüßt und zugleich an den emeritierten Papst Benedikt XVI. appelliert. Es sei der richtige Weg, dass Marx betont habe, er klebe nicht an seinem Stuhl und werde einen eventuellen Rücktritt erst mit Gremien besprechen, sagte Ackermann am Donnerstag im Interview mit dem SWR. Der im Gutachten belastete emeritierte Papst müsse noch einmal deutlich sagen, dass er damals die Dinge nicht mit der genügenden Aufmerksamkeit und Konsequenz verfolgt habe, so der Bischof. Gleichzeitig solle Benedikt noch einmal seine Erschütterung über das Leid der Opfer zum Ausdruck bringen, betonte Ackermann.

Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst forderte nach dem Münchner Gutachten eine umfassende Aufarbeitung und sofortige Konsequenzen. "Wir brauchen kein sukzessives Umdenken, sondern ein sofortiges Handeln", sagte Fürst am Donnerstagabend im SWR-Fernsehen. Es dürfe nicht mehr dazu kommen, dass Rücksichtnahme auf die Institution Kirche zu Lasten von Missbrauchsbetroffenen gehe. Auf die Frage, ob diese Einsicht auch bei allen deutschen Bischöfen angekommen sei, antwortete Fürst: "Ich habe den Eindruck, bei einigen schon."

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr wandte sich nach dem Gutachten in einem Schreiben an die Katholiken seines Bistums: "All das, was in den letzten Tagen über die Kirche berichtet wurde, erschüttert mich und sicher auch Sie", so Neymeyr. Dass der emeritierte Papst nicht zu seiner Verantwortung stehe, die er als Erzbischof von München hatte, entsetze viele Gläubige genauso wie die Ablehnung des Amtsverzichts der Bischöfe, die zu ihrer Verantwortung stünden und um Entpflichtung gebeten hätten. "Ich kann das gut verstehen." Dennoch bitte er die Gläubigen, "auch jetzt zur Kirche als Heimat für Ihren Glauben zu stehen", erklärte der Bischof und kündigte weitere Maßnahmen im Kampf gegen Missbrauch an.

Schönborn und Seewald verteidigen Benedikt XVI.

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn lobte unterdessen das Vorgehen des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger im österreichischen Missbrauchsskandal der 1990er-Jahre. Im Ö1-Frühjournal (Freitag) sagte Schönborn, als Präfekt der Glaubenskongregation habe sich der spätere Papst sehr für Aufklärung eingesetzt, auch im Fall seines Vorgängers in Wien, Kardinal Hans Hermann Groer. Damals sei Ratzinger "in Rom unsere Stütze" gewesen. "Er hat verlangt, dass hier gehandelt wird", so Schönborn. Groer (1919-2003) musste nach massiven Vorwürfen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen 1995 als Wiener Erzbischof zurücktreten.

Eine dem emeritierten Papst im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen im Münchner Erzbistum zur Last gelegte Falschaussage geht nach Darstellung des Ratzinger-Biografen Peter Seewald offenbar auf eine "schlampige Arbeit" eines der Mitarbeiter des Geistlichen zurück. Seewald schreibt im Magazin "Focus", Benedikt habe die Frage eines Münchner Anwaltsteams, ob er vor über 40 Jahren als Münchner Erzbischof an einer entscheidenden Sitzung teilgenommen habe, mit Ja beantworten wollen. Er könne sich allerdings nicht mehr genau daran erinnern.

Die Berater Benedikts hätten dem Emeritus widersprochen und ihn mit Blick auf das Protokoll der Sitzung zu einer "Falschaussage bewogen", erklärt Seewald. Das Sitzungsprotokoll, so die Berater, würde seine Abwesenheit belegen. In Wirklichkeit dokumentiert das Protokoll Seewald zufolge die Abwesenheit eines Generalvikars. Seewald betont: "Ein Mitarbeiter hatte das Papier schlampig gelesen. Seine Aussage wurde nicht mehr gecheckt. Der fatale Irrtum war in der Welt. Als die Lüge des Papstes." Bei der fraglichen Sitzung im Ordinariat am 15. Januar 1980 ging es unter anderem um einen Priester, der wegen Missbrauchsvorwürfen von Essen nach München versetzt werden sollte. Wie Seewald weiter schreibt, war schon zuvor klar, dass Benedikt bei dieser Sitzung anwesend war. Dieser Fakt sei in seiner Papst-Biografie nachzulesen. (tmg/KNA)

28.1., 14:40 Uhr: Ergänzt um Neymeyr.