Grünen-Politiker Lehmann: Ball liegt bei den Kirchen

Queer-Beauftragter fordert Reform des kirchlichen Arbeitsrechts

Veröffentlicht am 04.02.2022 um 10:14 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Im Zuge von #OutInChurch wird intensiv über das kirchliche Arbeitsrecht diskutiert. Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung, fordert die Kirche zum Handeln auf: Niemand solle Angst um seinen Job haben, "weil er liebt, wie er liebt".

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Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), hat sich für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ausgesprochen. "Weil unsere Verfassung das Selbstorganisationsrecht der Kirchen schützt, liegt der Ball jetzt vor allem bei den Kirchen selbst", sagte Lehmann der "Welt" (Online-Ausgabe Freitag). Sie sollten ihr Arbeitsrecht ändern, "denn niemand sollte Angst um seinen Job haben, weil er liebt, wie er liebt".

Zuletzt hatte die Initiative #OutInChurch die Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht befeuert. Im Rahmen der Kampagne hatten 125 Menschen öffentlich über ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität gesprochen. Manchen von ihnen könnte eine Kündigung drohen. Die Grundordnung des katholischen Dienstes regelt, welche Loyalitätspflichten die Kirche von ihnen einfordern kann – so müssen etwa die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkannt und beachtet werden. Mehrere deutsche Bischöfe und Generalvikare äußerten sich bislang positiv zu #OutInChurch und stellten Änderungen am kirchlichen Arbeitsrecht in Aussicht.

Konflikt mit EU-Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung der vergangenen Jahre weist in Richtung einer Reform. Die kirchlichen Regelungen gerieten zuletzt mehrfach vor dem Hintergrund der Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) in Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Gerichtshofs für Menschenrechte (IGMR). Im Koalitionsvertrag halten die Regierungsparteien fest, mit den Kirchen über eine Angleichung ihres Arbeitsrechts an die staatlichen Regeln ins Gespräch kommen zu wollen. Die verkündigungsnahen Berufe will die Ampel jedoch davon ausnehmen.

Lehmann forderte zudem bessere Schutzkonzepte für junge Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung aus ihren Familien fliehen müssten. Auch sollten Verschärfungen im Strafrecht geprüft werden, die "homofeindlich motivierte Hasskriminalität besser erfassen und ahnden". Darüber hinaus müsse sich die Bundesregierung an die Seite derer stellen, die im Ausland diskriminiert oder verfolgt würden. Diese Menschenrechtsverletzungen müssten benannt werden.

Zudem solle der Bundestag eine seiner jährlichen Gedenkstunden am Holocaust-Gedenktag (27. Januar) den Menschen widmen, die im Nationalsozialismus aufgrund ihrer Homosexualität verfolgt wurden, erklärte der Grünen-Politiker. "Es ist überfällig, dass im Bundestag explizit auch der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird und betroffene Menschen für diese Gruppe im Plenum sprechen dürfen." (mal/KNA)