ZdK-Präsidentin Stetter-Karp: Die Reform fällt nicht vom Himmel
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Es waren lange Tage bei der dritten Vollversammlung des Reformprozesses Synodaler Weg in Frankfurt am Main. Am Ende stehen Beschlüsse, aber auch weiterhin Spannungen. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, spricht im Interview von Meinungsverschiedenheiten, Smalltalk und dem Diskussionsklima.
Frage: Im Vorfeld der dritten Synodalversammlung gab es große Anspannung, nicht nur wegen der Kirchenkrise, sondern auch wegen der Corona-Lage. Wie haben Sie diese drei Tage in Frankfurt erlebt?
Stetter-Karp: Also, was Corona angeht: Wir haben sehr mit der Entscheidung gerungen, in Präsenz zu tagen, weil es immer wieder Anfragen gab, auch Kritik an der Entscheidung. Aber wir hatten eben die Situation, dass sich über 200 Menschen angemeldet hatten. Von daher waren es doch einzelne Stimmen, die dagegen waren. Das schicke ich voraus. Es war ein Ringen und es ist, glaube ich, auch nicht leicht, einfach zu sagen, es war richtig oder falsch. Am Ende musste es abgewogen werden. Uns war wichtig, den Prozess nicht verlängern zu können. Im Frühjahr 2023 ist Schluss.
Frage: Und die Krise? Die kirchenpolitischen Spannungen?
Stetter-Karp: Ich bin ein Typ, die sich so gut wie möglich vorbereitet, so gut es zwischen allen anderen Anforderungen geht. Aber eine gute Vorbereitung gehört für mich dazu. Dennoch gibt es natürlich Unsicherheiten, die jetzt gar nicht weggenommen werden können, zum Beispiel durch Corona. Aber ja, ich von meinem Naturell her – das gehört vielleicht auch zu meinem Weg in den vergangenen Jahrzehnten – bin jemand, die eine Gelassenheit in sich trägt.
Frage: Trotzdem gibt es Meinungsverschiedenheiten, bei denen die zwei Seiten keinen Kompromiss finden können, zum Beispiel beim Thema der Frauenweihe. Es gab ja auch mehrere Konfliktsituationen im Plenum. Wie bekommt man es hin, trotzdem zivil und christlich miteinander umzugehen?
Stetter-Karp: Zunächst mal würde ich gerne sagen – was in der Öffentlichkeit eben nicht so sichtbar werden kann – in den Foren gelingt das durchaus. Ich war selber bis Dezember Mitglied im Forum IV "Leben in gelingenden Beziehungen". Am Beispiel etwa von Weihbischof Gössl wird das Miteinander sehr gut sichtbar. Er hat sich selber bereit erklärt, in die Antragskommission zu gehen, hat jetzt am Samstag die Änderungsanträge auch im Plenum vorgestellt. Exemplarisch an ihm kann ich sagen: Es gibt sehr wohl in den Foren eine Verständigung zwischen den "Fraktionen". Das wäre jetzt der parlamentarische Begriff.
Frage: Im Plenum ist das sicher schwieriger, oder?
Stetter-Karp: Es ist natürlich in einem so großen Plenum nicht leicht. Das kennen wir auch aus anderen Situationen, etwa im Bundestag, dass es manchmal zur Sache gehen kann und anstrengend wird. Wir haben uns entschieden, im Vorfeld der dritten Versammlung als Präsidium Kommunikationsregeln einzubringen. Das wurde gut entgegengenommen. Ich finde, in der Summe können wir sehr zufrieden sein mit dem Ton. Nach meiner Wahrnehmung gibt es eine gute Achtsamkeit, auch eine sehr hohe Disziplin. Es gibt daran nichts zu kritisieren, sondern wir müssen einfach wechselseitig sehr viel Geduld aufbringen. Zuhören kann manchmal sehr anstrengend sein.
Frage: Das Synodalpräsidium hat sich ja relativ neu zusammengesetzt. Sie sind jetzt neu drin, auch Thomas Söding als Vizepräsident. Bischof Bätzing ist ja auch nicht seit Anfang dabei. Kardinal Marx hat das Ganze gestartet. Wie erleben Sie denn die Arbeit in dieser "zweiten Generation" des Präsidiums?
Stetter-Karp: Ich bin damit sehr glücklich. Insoweit, als wir im Präsidium menschlich einen sehr schönen, leichten, freudigen Umgang miteinander haben, uns wirklich wechselseitig wertschätzen. Das hat man vor einer Wahl auch nicht immer alles in der Hand. Aber ich kann sagen, dass ich zu diesen Menschen, die jetzt gewählt wurden, zu 100 Prozent stehe. Das macht es schon viel leichter.
Was Bischof Bätzing angeht, hatten wir einen guten Start. Wir kannten uns aus dem Forum IV, wo er ja, wie ich auch, raus ging, weil er die Nachfolge von Kardinal Marx antrat. Ich finde es einfach sehr angenehm mit ihm, von Mensch zu Mensch umzugehen und das ist eine große Erleichterung. Wenn das ganz anders wäre, dann würde man natürlich bei jedem Satz vorsichtiger sein müssen. Es waren sehr gute Tage miteinander.
„Ich habe da kein Durchregieren erlebt, sondern ein achtsames Suchen nach einem Weg für die katholische Kirche, gegen weitere Austritte und für eine Kirche, die es schafft, Missbrauch zu verhindern.“
Frage: Das war jetzt die dritte Vollversammlung in zwei Jahren. Hat sich denn das Miteinander der Bischöfe und Laien in dieser Zeit verändert? Am Anfang haben sich einige Bischofe ja schwer getan, mit Jugendvertretern zum Beispiel am Kaffeeautomaten zu stehen.
Stetter-Karp: Ich würde das ganz banal erklären: Ich begründe es mit Übung. Übung macht den Meister. Es war tatsächlich ungewohnt am Anfang. Nicht bei allen, aber bei manchen Bischöfen spürt man ja auch, dass sie sich da gar nicht so leicht tun beim Smalltalk, was ja ganz erleichternd ist in der Kommunikation. Ich kann nicht immer nur über harte Inhalte reden, sondern es muss eben auch einfach mal ein lockerer Ton dazu. "Haben sie gut geschlafen?" Das gilt nicht für alle, da sind manche leichtfüßiger unterwegs, was schön ist, und manche tun sich schwerer. Ich glaube auch, bis jetzt tun sich einzelne schwer. Das darf auch so sein. Menschen sind nicht gleich, wir Laien sind auch nicht alle gleich. Gott sei Dank.
Ich würde auch gerne ein Kompliment an der Stelle den Bischöfen als Gesamtgruppe aussprechen wollen. Ich fand es schon stark, dass sie sich aktiv in der Phase zwischen der zweiten und dritten Versammlung mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen eingebracht haben. Ich finde es gut, weil sie sich mühen, den Text so weit aktiv mit zu gestalten, dass sie sagen: Ja, jetzt kann ich zustimmen. Das kann ich mir nur weiter wünschen, nur so finden wir eine Beschlusslage. Ich bin sicher, es wird nicht zu 100 Prozent mit allen gehen. Da mache ich mir auch gar nichts vor. Können wir Synodalität? Ich glaube, wir können es zunehmend besser!
Frage: Auch im Miteinander mit dem Vatikan? Das ist auch noch eine große Wolke, die über dem Projekt hängt.
Stetter-Karp: Da könnte ich es mir jetzt ganz leicht machen und sagen: Persönlich kann ich das noch gar nicht einschätzen, weil es noch keine Gespräche gab. Die sind angedacht. Es gibt noch keinen Termin, aber es gibt die Zielerklärung auf beiden Seiten, das "Ja" dazu, dass wir das wollen. Ich will dem nichts vorwegnehmen, aber ich bin mir natürlich bewusst, dass bei manchen Themen die Spannungen – Thema Zugang von Frauen in Weiheämter – natürlich eine andere Hürde sind. Das weiß jede und jeder. Ich auch.
Frage: Einige Bedenken haben wir im Statement von Papst-Botschafter Eterovic gehört, der Papst Franziskus mit einer Warnung vor "Parlamentarismus" in der Kirche zitiert hat. Was entgegnen Sie auf diese Kritik, die immer wieder kommt?
Stetter-Karp: Ich will auf zwei Ebenen antworten. Die eine Flughöhe sind die Inhalte und die Frage nach einem Weg in die Zukunft. Da wäre für mich einfach die Rückfrage: Was sind die Alternativen, um Menschen von einem barmherzigen, menschenfreundlichen Gott im 21. Jahrhundert in den nächsten Jahren zu erzählen, sie zu gewinnen, zu überzeugen, ihnen davon ein Zeugnis zu geben?
Auf der kommunikativen Ebene würde ich entgegnen, dass ich eine andere Erfahrung im Synodalen Weg mache. Ich persönlich mache die Erfahrung, dass sowohl Bischöfe als auch Laien miteinander um einen guten Weg in die Zukunft ringen. Und das würde ich niemandem in der Synodalversammlung absprechen. Ich habe da kein Durchregieren erlebt, sondern ein achtsames Suchen nach einem Weg für die katholische Kirche, gegen weitere Austritte und für eine Kirche, die es schafft, Missbrauch zu verhindern. Darum geht es entscheidend. Wir haben jetzt mehrere Themen im Synodalen Weg, aber der Ausgangspunkt war die MHG-Studie und die Bischöfe haben uns dazu eingeladen. Und noch gehen wir mit ihnen diesen Weg. Es ist ja nicht so, dass die Laien hier etwas ertrotzt hätten.
Frage: Was ja auch bedeutet, dass man mit einem gewissen Selbstbewusstsein rein gehen kann.
Stetter-Karp: Kann und auch muss. Die Reform fällt nicht einfach vom Himmel, sie muss erarbeitet werden.