Benedikts persönliche Stellungnahme kann nicht zufriedenstellen
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Kaum etwas dürfte im Nachgang des Münchner Missbrauchsgutachtens so sehr erwartet worden sein wie die angekündigte persönliche Stellungnahme Benedikts XVI. Nun wurde das Schreiben des emeritierten Papstes veröffentlicht – und das Ergebnis ist ernüchternd. Ja, Benedikt drückt noch einmal "meine tiefe Scham, meinen großen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern" von Missbrauch aus. Ja, der Emeritus spricht in seinem Brief immer wieder von Schuld, gar einer "übergroßen" Schuld der Kirche. Nur: Eine persönliche Schuld gesteht er wörtlich an keiner Stelle ein. Im Gegenteil.
Schon der Aufbau seines Briefes lässt Fragen aufkommen. Dort, wo doch die Opfer sexualisierter Gewalt an allererster Stelle stehen müssten, beginnt Benedikt zunächst mit einer Danksagung. Einer Danksagung an seine Mitarbeiter, die ihm bei seiner ursprünglichen 82-seitigen Stellungnahme zum Münchner Gutachten assistierten. Und die – das bestätigt der emeritierte Papst nun noch einmal selbst – für eine Falschaussage in eben jener Stellungnahme verantwortlich zeichneten.
An dieser Stelle begeht Benedikt den vielleicht größten Fehler in seinem Brief: Noch bevor nun die ersten Worte an die Opfer gerichtet werden, bevor von einer "Schuld" das erste Mal die Rede ist, macht sich der Emeritus gewissermaßen selbst zum Opfer, wenn er mit Blick auf die Falschaussage schreibt: "Daß [sic!] das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen."
In der zweiten Hälfte des Briefes folgt das Bekenntnis zu einer Schuld, in die "wir", so heißt es, "hineingezogen werden". Was dem hier Gesagten dann aber einen wirklich faden Beigeschmack verleiht, ist der "Faktencheck", der der Stellungnahme beigefügt ist: Seine Mitarbeiter weisen darin noch einmal sämtliche Vorwürfe von persönlichem Fehlverhalten Benedikts zurück, die sich in der Münchner Untersuchung finden.
Die Gutachter hielten Kenntnisse Joseph Ratzingers zu Missbrauchstätern für "überwiegend wahrscheinlich", letztlich beweisen konnten sie das nicht. Somit bleibt hier wohl Aussage gegen Aussage stehen. Der Benedikt-Brief ist – gerade mit Blick auf die Worte im zweiten Teil, er werde "bald vor dem endgültigen Richter meines Lebens stehen" – sicherlich ein aufrichtiges Schreiben. Nur ist er eben kein Eingeständnis persönlicher Schuld. Die Öffentlichkeit und vor allem die Missbrauchsopfer wird das nicht zufriedenstellen.
Der Autor
Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.