Voderholzer: Aufhebung des Zölibats birgt neue Herausforderungen
Nach den Worten des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer kann eine mögliche Abschaffung des Zölibats als Voraussetzung für das Priesteramt für neue Schwierigkeiten in der Kirche sorgen. Der Verweis des Synodalen Wegs auf das in den Ostkirchen praktizierte Modell reiche in der Debatte nicht aus, sagte Voderholzer in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der "Tagespost" (online). "Wenn ein Weltpriester unter diesen Voraussetzungen freiwillig den Zölibat wählte, setzte er sich zwangsläufig dem Verdacht aus, entweder homosexuell zu sein oder Bischof werden zu wollen", so der Regensburger Bischof. In den Ostkirchen ist eine Heirat vor der Weihe möglich, allerdings sind nur unverheiratete Priester potenzielle Kandidaten für das Bischofsamt. "Das führt dazu, dass die Bischöfe aus dem Mönchsstand ausgewählt werden", erklärte Voderholzer. Inwiefern dieses Modell für die katholische Kirche passend sei, müsse man genau überprüfen. "Haben wir ein so vitales Mönchtum? Dürften wir überhaupt das Führungspersonal der Ordensgemeinschaften ständig abschöpfen?"
Weiter verwies Voderholzer auf "Spannungen und überhöhte Erwartungen" im verheirateten Pfarrklerus. Er habe einst einen ehemaligen evangelischen und verheirateten katholischen Priester kennengelernt, der betonte, dass das Pfarrhaus ein "Glashaus" sei. Die ganze Familie sei einem "ungeheuren" Anspruch ausgesetzt. Wenn ein Pfarrer das an sich heranlasse, könne er nur scheitern. "Ein zölibatär lebender Priester bewegt sich auf einer anderen Ebene und ist da unbelasteter, wenngleich er natürlich auch mit anderen Problemen umgehen muss", so Voderholzer. Zudem hätten die Erfahrungen in der evangelischen Kirche und im Judentum gezeigt, dass sich ohne verpflichtenden Zölibat schnell eine "Pflichtehe" ergeben könne, um eine "Brautschau" des Pfarrers zu vermeiden.
Rede von "Pflichtzölibat" sei verwunderlich
Der Regensburger Bischof unterstrich den Wert der priesterlichen Ehelosigkeit als Lebensform Jesu. "Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen muss positiv aufgegriffen werden als eine Ermöglichung geistlicher Fruchtbarkeit und des Zeugnisses für Christus." Es wundere ihn, wenn in der Debatte vom "Pflichtzölibat" die Rede sei, da er freiwillig angenommen werde. Allerdings sei der Zölibat nicht die Lebensform eines Einzelkämpfers. Beispielsweise bei Urlaubsgestaltung und geistlicher Begleitung könnten sich Pfarrer gegenseitig unterstützen. In der Priesterausbildung müsse den Kandidaten vom ersten Tag an bewusst gemacht werden, dass man die zölibatäre Lebensform gestalten müsse. Allerdings müsse man beim Blick auf die Lebensform des Priesters auch auf die anderen beiden evangelischen Räte der Armut und des Gehorsams achten, damit es nicht zu einem "verbürgerlichten Junggesellentum" komme.
Im Hinblick auf die Berufungspastoral betonte Voderholzer, dass sich die Kirche als Gemeinschaft präsentieren müsse, "in der man den Himmel offen sieht" und in der man ein sinnvolles, erfülltes Leben führen könne. "Dann werden sich Berufungen von selbst ergeben." Deshalb sei es "fatal", wenn sich die katholische Kirche im Umgang mit dem Missbrauchsskandal als "Täterorganisation" präsentiere. "Wer will in einer solchen Organisation arbeiten", fragte Voderholzer. "Stattdessen muss klar werden, dass wir uneingeschränkt auf der Seite der Opfer stehen und uns dafür einsetzen, dass ihnen größtmögliche Gerechtigkeit widerfährt und sie Frieden finden können."
Die Delegierten hatten bei der dritten Vollversammlung des Synodalen Wegs in erster Lesung mit großer Mehrheit für eine Initiative zur Lockerung der Zölibatsvorschrift für Priester gestimmt. Der mit "Zölibat der Priester – Stärkung und Öffnung" überschriebene Handlungstext betont den Wert der Ehelosigkeit als Lebensform der Priester. Er fordert aber zugleich die Zulassung verheirateter Priester in der römisch-katholischen Kirche durch den Papst oder durch ein Konzil. Außerdem wird gefordert, der Papst solle es katholischen Priestern gestatten, zu heiraten und im Amt zu bleiben. (mal)