Katholische Medienethiker skeptisch über Instagram-Verbot für Kinder
Der Aufruf von mehreren Dutzend Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften, die Entwicklung einer Version des Social-Media-Dienstes Instagram für Kinder ganz einzustellen, stößt bei deutschen Medienethikern und Religionspädagogen auf ein gemischtes Echo. Der Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Andreas Büsch, sagte auf Anfrage von katholisch.de, dass er zwar das Anliegen teile, Social-Media-Dienste nicht schon für Kinder zugänglich zu machen. Die Argumentation der Unterzeichner eines Offenen Briefs einer US-amerikanischen medienpädagogischen Initiative könne er nachvollziehen. Darin heißt es, dass die Nutzung von Social Media die Entwicklung von Fähigkeiten und Werten verhindern würde, die für die Ausbildung von Spiritualität wichtig seien. "Völlig unbestritten brauchen wir Ruhe, Stille und Unterbrechungen des Alltags als Möglichkeitsbedingungen spiritueller Suche und Entfaltung. Gottesdienst hat für mich neben anderem genau diese Funktion: Unterbrechung des Alltags, Muße, also zweckfreie Zeit, um zur Ruhe und zur Besinnung zu kommen", so der Theologe und Professor für Medienpädagogik. Deswegen aber zu Verboten zu greifen, sei unangemessen.
"Worum es gehen muss, ist doch, zu einem vernünftigen Umgang mit digitalen Phänomenen zu kommen, was in der Kirche dann am ehesten mit kritischer Zeitgenossenschaft zu beschreiben ist", betonte Büsch. Es gelte, sich auf Phänomene und Dienste einzulassen und aus dem gewonnenen Verständnis heraus zu kritisieren. Die notwendige medienpädagogische Begleitung einer Entwicklung zum selbständigen, mündigen und spirituell reifen Menschen bedeute dabei auch, Beschränkungen zu setzen.
Die Frankfurter Religionspädagogin Viera Pirker würdigte gegenüber katholisch.de die religiöse Argumentation des in der vergangenen Woche veröffentlichten Offenen Briefs. "Der Kampf in den sozialen Medien ist in erster Linie ein Kampf gegen Präsenz, Aufmerksamkeit und Stille", heißt es in dem Brief, dagegen würden zahllose Religionen die Wichtigkeit von ablenkungsfreier Zeit betonen. Manche positiv zu wertenden Aspekte würden von der Initiative aber gar nicht angesprochen. "Zu Social Media gehört ja auch die Erfahrung von interessensbezogener Vernetzung, von Stabilisierung in Unsicherheit, der Gemeinschaftsbildung und gegenseitigen Stärkung, beispielsweise in Minoritätssituationen", betonte die Professorin für Religionspädagogik und Mediendidaktik. Auch religiöse Gemeinschaftsbildung geschehe auf Social Media: "Religiös gesehen hat sich auch Instagram als ein Ort der Verkündigung als auch der individuellen religiösen Positionierung entwickelt." Es sei jedoch legitim zu fragen, ob das schon für Kinder unter 14 Jahren notwendig sei.
Spirituelle Konsequenzen von Social-Media-Nutzung noch unerforscht
In der vergangenen Woche hatte die Organisationen "Fairplay – Childhood beyond brands" einen von 79 Vertretern verschiedener Religionen und Konfessionen unterzeichneten Brief an den Chef des Facebook-Mutterkonzern Meta, Mark Zuckerberg, veröffentlicht. Darin zeigen sie sich besorgt, dass Instagram trotz öffentlichen Protesten und der Ankündigung Metas, die Entwicklung zu pausieren, weiter daran festhalte, eine Instagram-Version für Kinder zu entwickeln. "Eine Pause ist nicht genug", heißt es in dem Brief. Instagram stelle eine Gefahr für kleine Kinder dar. Das zeigten auch interne Erkenntnisse Facebooks. Aus internen Dokumenten Metas, die die ehemalige Facebook-Angestellte Frances Augen im vergangenen Jahr veröffentlicht hatte, ging unter anderem hervor, dass der Konzern um die negativen Auswirkungen seiner Produkte auf das Selbstwertgefühl vor allem junger Mädchen weiß.
Bereits jetzt mache die Nutzung von Instagram durch Kinder und Jugendliche Handlungsbedarf deutlich, argumentieren die Unterzeichner des Offenen Briefs. "Nach viel Meditation und Gebet erklären wir, dass Social-Media-Plattformen, die auf unreife Gehirne abzielen, unethisches Data Mining betreiben und sich von Profitmotiven leiten lassen, nicht zum Wohl der Kinder sind." Auswirkungen auf die psychische Gesundheit durch Social Media seien bereits erforscht und bekannt. Es brauche zusätzlich auch eine Untersuchung der spirituellen Konsequenzen der Nutzung sozialer Netzwerke durch Kinder und Jugendliche. Kinder bräuchten für ihre Entwicklung Zeit für Reflexion, ungeplante, überraschende Begegnungen und aufmerksames Spiel – am besten draußen. "Unzählige Heilige und Propheten haben die Natur als einen Ort beschrieben, an dem das Göttliche spricht - als einen Ort, an dem wir demütig unsere Bescheidenheit, unsere Verbundenheit mit der Welt und unsere liebevolle Verantwortung gegenüber anderen Lebensformen erkennen", so die Unterzeichner. Das würden Kinder verpassen, wenn sie stundenlang vor Bildschirmen säßen. (fxn)