Buttgereit: Themen des Synodalen Wegs auch in Weltkirche virulent
Mitte Februar fand im Vatikan ein Internationales Symposium zum Priesterbild innerhalb der katholischen Kirche im Vatikan statt. Mit dabei waren auch die beiden Leiter des Synodalforums "Priesterliche Existenz heute", Stephan Buttgereit und Bischof Felix Genn. Im Interview berichtet Buttgereit von seinen Erfahrungen bei der Konferenz und warum er glaubt, dass das Ende des Synodalen Wegs im kommenden Jahr einen neuen Anfang für die Kirche in Deutschland markieren wird.
Frage: Herr Buttgereit, Sie haben in der vergangenen Woche am vatikanischen Symposium über das Priesterbild in der Kirche teilgenommen. Wie ist Ihr Eindruck von der Veranstaltung in Rom?
Buttgereit: Wer in Deutschland erwartet, dass aus der Weltkirche oder etwa aus dem Vatikan Signale kommen, dass der Pflichtzölibat in Frage gestellt wird, verkennt komplett die Lage, in der wir uns bei diesem Thema befinden. Im Priester-Forum des Synodalen Wegs – das ist auch in unserem Papier deutlich geworden – tasten wir uns an das heran, was bei den deutschen Bischöfen mehrheitsfähig ist. Ich denke, bei den Laien sind das viel weitergehende Punkte. Wenn wir in der Synodalversammlung dazu einen Beschluss gefasst haben, müssen wir uns die Frage stellen, wie wir ihn in der Weltkirche umsetzen. Die Teilnahme an der Konferenz in Rom war eine Milieu-Studie, um wahrzunehmen, wie im weltkirchlichen Kontext über die Themen Priestertum und Zölibat gesprochen wird, die wir in unserem Forum behandeln. Ich bin Bischof Genn sehr dankbar, dass wir dort gemeinsam teilnehmen konnten.
Frage: Wie war die Diskussionskultur beim Symposium?
Buttgereit: Es heißt oft, wir in Deutschland wären auf einem Sonderweg und diskutierten Themen, die die Weltkirche nicht interessieren würden. Das ist besonders nach der Teilnahme am Symposium nicht mein Eindruck. Die Themen, die bei uns wichtig sind, sind auch in der Weltkirche virulent. Das Symposium war nicht diskursiv angelegt, sondern es bestand hauptsächlich aus Vorträgen. Aber nach den Referaten konnte man online Fragen stellen. Die Themen, die in den Fragen angesprochen wurden, kamen mir aus der Arbeit beim Synodalen Weg sehr bekannt vor. Deshalb denke ich, dass die Weltkirche ähnliche Fragen wie die Kirche in Deutschland hat, aber vielleicht noch nicht so darüber im Diskurs ist, wie wir das hierzulande schon sind.
Frage: Waren beim Symposium auch die Beratungen zum Priesterbild beim Synodalen Weg ein Thema?
Buttgereit: Kardinal Ouellet hat zu Beginn des Symposiums in einer Pressemeldung auf den Synodalen Weg in Deutschland verwiesen und gesagt, dass die Tagung keine Reaktion auf den Reformprozess sei. Aber er hat eine Verknüpfung zum weltweiten synodalen Prozess hergestellt, den Papst Franziskus angestoßen hat. Ich habe beim Symposium allgemein ein Stück weit Zurückhaltung und Sorge gespürt. Das, was wir in Deutschland tun, löst bei manchen Angst aus, obwohl es beim Symposium um die gleichen Fragen geht, also das Priestertum der Getauften und das Weihepriestertum. Das ist letztendlich nichts anderes als eine Klärung, was die Laien in der Kirche tun können, dürfen und sollen – und was eigentlich zum Weiheamt gehört. Das sind genau die Themen, die wir in unserem Synodalforum besprechen.
Frage: Beim Symposium gab es Zeugnisse von Frauen, die sich gegen ein Priestertum der Frau ausgesprochen haben. Priesterliche Berufung sei auch durch soziales Engagement und caritative Arbeit zu leben. Hat Sie das überzeugt?
Buttgereit: Es hat mich zum Teil überzeugt, weil es drei Frauen waren, die sehr authentisch von ihrem Glauben und ihrem Lebensweg berichtet haben. In den Vorträgen konnte man aber auch merken, dass der Diskurs in Rom auf eine andere Art geführt wird als bei uns in Deutschland. Beim Synodalen Weg sind wir klar in den Formulierungen, Erwartungen und Positionierungen. Beim Symposium waren die Berichte offener, weicher und mit mehr Deutungsmöglichkeiten in die eine oder andere Richtung. In dem was sie berichtet haben, wofür sie stehen und was sie tun, waren sie taff und klar. Aber die daraus gezogenen Schlussfolgerungen habe ich an manchen Stellen doch als sehr zurückhaltend und weich empfunden. Persönlich hätte ich mir ein klares Votum von den Frauen für die Frauen gewünscht.
Frage: Gab es beim Symposium nicht einmal kleine Andeutungen von Öffnungsschritten beim Thema Priesterzölibat?
Buttgereit: Es gab einen Vortrag, in dem das kurz angesprochen wurde – doch leider war die Simultanübersetzung nicht besonders gut. Aber was ich herausgehört habe war, dass es doch wenig Bereitschaft gibt, hier Öffnungsschritte zu gehen und eine große Sorge darüber, was passiert, wenn man den Zölibat komplett freistellt. Aber im Vortrag wurde auf die mit Rom unierten und die anderen Ostkirchen Bezug genommen, in denen es schließlich verheiratete Priester gibt. Ich habe bei dem Thema einige zarte Signale von alternativen Möglichkeiten wahrgenommen, aber die große Linie ist immer noch die Beibehaltung des Pflichtzölibats für Priester in der katholischen Kirche.
Frage: Eine Tagung ist ja nicht nur wegen der dort gehaltenen Vorträge interessant, sondern in der Regel auch aufgrund der Gespräche und Begegnungen, die man in der Kaffeepause oder bei den gemeinsamen Mahlzeiten macht. Wurde Sie bei solchen Gelegenheiten auf den Synodalen Weg angesprochen?
Buttgereit: Bei mir war das nicht der Fall, aber ich habe von Bischof Genn gehört, dass die anwesenden deutschen Bischöfe von ihren Mitbrüdern in den Pausen angesprochen wurden. Das war seiner Aussage nach eine gute Plattform, um für den Synodalen Weg in Deutschland zu werben und die Befürchtungen auszuräumen, die geäußert werden. Ich glaube, dass diese Befürchtungen auch von einer großen Schwäche bei unserem Nuntius herrühren, dem Botschafter des Papstes in Deutschland. Er hätte die große Chance, die positiven Dynamiken, die wir beim Synodalen Weg miteinander erleben, nach Rom zu transportieren. Doch aus meiner Sicht tut er das leider nicht, weshalb es ein oft bedrohliches und einseitiges Bild von unserem Reformprozesses in anderen Teilen der Weltkirche gibt. Deshalb war es sehr gut, dass einige der deutschen Bischöfe bei dem Symposium in Rom waren und die Sorgen, die den Synodalen Weg betreffen, verringern konnten.
Frage: Wie haben Sie bei der dritten Synodalversammlung vor wenigen Wochen die Beratungen zu den Themen des Priesterforums wahrgenommen?
Buttgereit: Bei der dritten Synodalversammlung ist der Geist der ersten Versammlung wieder lebendig geworden. Im Großen und Ganzen war die Kultur des Miteinanders sehr gut und wertschätzend. Der Synodale Weg erzeugt bei allen Beteiligten überwiegend positive Effekte, die dazu führen, dass wir gemeinsam immer besser ins Verstehen und Zuhören kommen. Wir finden Formen, unterschiedliche Sichtweisen zu diskutieren, um gemeinsam an Lösungen arbeiten zu können. Ich war positiv überrascht, dass alle Texte in der ersten und zweiten Lesung die erforderliche Mehrheit bekommen haben. Ich bin aber realistisch genug, um zu wissen, dass das nicht bedeuten muss, dass in den entscheidenden zweiten Lesungen die erforderlichen Mehrheiten ebenfalls erzielt werden können.
Frage: Gilt das auch für das Thema Zölibat?
Buttgereit: Ja, denn es ist aus meiner Sicht fraglich, ob eine erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bischöfe bereit sein wird, hier Öffnungsbestrebungen mitzugehen. Es wäre fatal, wenn wir das Signal senden würden, dass wir beim Thema Zölibat keinen Schritt weiterkämen, also nichts über den Status quo hinaus beschließen. Aber wie weit Forderungen mitgegangen werden, wird sich zeigen. Das sieht man auch am Aufbau unseres Textes zum Zölibat. Er ist ein wenig wie ein Ranking verschiedener Optionen von Veränderungen bei diesem Thema. Ein Problem der Statuten des Synodalen Weges ist es, dass wir keine Entweder-Oder-Vorlagen machen können. Sondern wir müssen Beschlüsse fassen und uns auf eine Richtung festlegen, die wir beim Thema Zölibat der Synodalversammlung vorschlagen und hoffen, dass sie dann auch für die Bischöfe mehrheitsfähig ist. Das wird sicher in die Richtung gehen, weltkirchlich für "viri probati" zu werben oder eine Öffnung vorzuschlagen, sodass in den Ortskirchen individuelle Wege ausprobiert werden können.
Frage: Viele engagierte Gläubige kehren der Kirche aufgrund der aktuellen Skandale momentan den Rücken. Warum bleiben Sie dabei und engagieren sich beim Synodalen Weg?
Buttgereit: Es gilt der Satz: "Change it or leave it." Ich kann jeden verstehen, der geht, weil es für viele Katholiken das einzige Signal der Selbstwirksamkeit ist. Als Gläubiger kann ich innerhalb der Amtskirche wenig bewegen, weil ich weder einen Bischof wählen noch abwählen kann. Gleiches gilt meist für die Bestellung der Gemeindepriester. Der Austritt ändert diese Wirkungslosigkeit und ist letztlich ein Aufruf zum Handeln. Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass Menschen Kirchen-müde sind und nicht mehr an den viel beschworenen Veränderungswillen der kirchlichen Verantwortlichen glauben. Die Menschen, die gehen, fallen nicht vom Glauben ab, aber sie glauben nicht mehr an die Zukunftsfähigkeit der katholischen Kirche.
Meine Erfahrungen auf dem Synodalen Weg sind überwiegend positiv und deshalb engagiere ich mich dort. Die Kirche in Deutschland wird nicht mehr hinter die Erfahrungen beim Synodalen Weg zurückfallen können. Meine Motivation ist, dass wir nach dem Reformprozess nicht nur tolle Papiere veröffentlicht haben, sondern eine spürbare Veränderung in unserer Kirche bewirken können. Nur so kann Kirche zukünftig Missbrauch verhindern und selbst attraktiv für moderne Menschen sein. Aber das ist ein ergebnisoffener Prozess, der je nachdem wie er ausgeht, auch großen Frust auslösen kann, weil die Resultate die Hoffnungen enttäuscht haben.
Frage: Aber ist dieser Frust nicht auch ein Stück weit vorprogrammiert?
Buttgereit: Bei den Synodalen glaube ich das nicht, denn viele haben eine realistische Einschätzung des Synodalen Wegs. Sie wissen, dass es danach nicht sofort die ersten Weihen von Frauen geben oder direkt der Pflichtzölibat gelockert wird. Ich glaube, wir können dort nicht auf einen Schlag die großen Veränderungen generieren, sondern lediglich Grundsteine für Veränderungen legen. Und damit wäre schon ein Stück des gemeinsamen Synodalen Weges gegangen und viel erreicht. Reformen sind in der fast 2.000 Jahre langen Kirchengeschichte ein permanenter Prozess. Es gibt zwar Menschen in der Kirche, die davor Angst haben. Doch es wäre fatal, wenn wir als katholische Kirche aufhören würden, uns weiterzuentwickeln.