Kollig: Verständnis für Misstrauen gegenüber Personalverantwortlichen

Berliner Kirchen-Kommission kritisiert Chefs von Missbrauchs-Priestern

Veröffentlicht am 01.03.2022 um 12:44 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Eine "nicht optimale Arbeitsmoral und unzureichendes Verantwortungsbewusstsein" im Umgang mit Missbrauchsfällen wirft die kirchliche Auswertungs-Kommission den Verantwortlichen im Erzbistum Berlin vor. Heute wurde der Abschlussbericht des Gremiums vorgestellt.

  • Teilen:

Über ein Jahr nach Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum Berlin hat auch die kirchliche Auswertungs-Kommission den Umgang von damaligen Personalverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Geistliche kritisiert. In einem am Dienstag vorgestellten Abschlussbericht warf das Gremium ihnen wegen der Verzögerung bei der Behandlung der Fälle "eine nicht optimale Arbeitsmoral und unzureichendes Verantwortungsbewusstsein" vor. Die Kommission bestand aus drei entsandten Mitgliedern der höchsten Laienvertretung und des Priesterrats des Erzbistums.

Zugleich betonte die Kommission, eine Pflichtverletzung mit Blick auf das Kirchenrecht und die Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz sei bei ihnen in fünf "besonders dringlichen" jüngeren Fällen "nicht zu erkennen". Die Leitung des Erzbistums hatte diese Fälle auf Initiative der Kommission durch die Kirchenrechtler Astrid Kaptijn (Fribourg) und Wilhelm Rees (Innsbruck) prüfen lassen. Unter den insgesamt 61 Fällen von Priestern seit 1946, die sexualisierter Gewalt an mindestens 121 Minderjährigen beschuldigt wurden, waren es die Fälle 30, 39, 43, 48 und 58 des Gutachtens der Anwaltskanzlei "Redeker Sellner Dahs", das auf der Internetseite des Erzbistums, wenn auch teilweise geschwärzt, veröffentlicht ist.

Elf neue Vorwürfe sexualisierter Gewalt in einem Jahr

Bei diesen Fällen werden unter anderen in ihren damaligen Funktionen Achim Faber als Voruntersuchungsführer, Stefan Dybowski als Missbrauchsbeauftragter, Hansjörg Günther als Personaldezernent, Roland Steinke und Tobias Przytarski als Generalvikare sowie Kardinal Rainer Maria Woelki als Erzbischof genannt, die an der Bearbeitung der Missbrauchsfälle beteiligt waren.

Zudem teilte das Erzbistum mit, dass im vergangenen Jahr elf neue "Vorwürfe sexuellen Missbrauchs oder sexueller Übergriffe" an Minderjährigen oder erwachsenen Schutzbefohlenen durch Kirchenmitarbeiter gemeldet wurden. Drei davon beträfen aktuelle Sachverhalte, die anderen seien vor über zehn Jahren geschehen. Bei den drei aktuellen Sachverhalten sei in einem ein Geistlicher beschuldigt worden, bei den älteren Sachverhalten richteten sich sechs Vorwürfe gegen Geistliche. Davon seien zwei bereits in dem vor einem Jahr veröffentlichten Missbrauchgutachten der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs für das Erzbistum erwähnt. Alle fünf beschuldigten Geistlichen seien bereits verstorben, so das Erzbistum.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Bei der Vorstellung des Berichts betonte der Verwaltungschef des Erzbistums, Generalvikar Manfred Kollig, es gebe "keine Grundlage für weitergehende disziplinarische Maßnahmen". Zugleich äußerte er Verständnis dafür, dass Betroffene "denen misstrauen, die bisher als Personalverantwortliche tätig waren". Deshalb habe Erzbischof Heiner Koch entschieden, dass Personalverantwortliche, die ihrer Verantwortung nicht immer oder nicht umfassend gerecht worden seien, "gegenwärtig und zukünftig weder in Voruntersuchungsverfahren bei Anzeigen von Missbrauch noch in die Bearbeitung von Missbrauchsfällen überhaupt einbezogen werden".

Kollig kündigte auch an, der Erzbischof wolle gemeinsam mit ihm mit den betroffenen Personalverantwortlichen darüber sprechen, was ihnen angemessen oder geboten erscheine, "um Versäumnisse und Fehler einzugestehen und Verantwortung dafür zu übernehmen". Er befürwortete die Einrichtung einer Ethikkommission unter anderem für "Fragen von Macht und Beziehung". Überdies räumte Kollig ein, dass Erzbischof und Generalvikar stärker für Ausbildung und Kontrolle der Personalverantwortlichen, die mit Missbrauchsfällen befasst sind, sorgen müssten. "Wo wir zu sehr denen, die Verantwortung hatten, vertraut haben, ohne ihre Arbeit zu kontrollieren oder deren Ergebnisse von Gesprächen und Untersuchungen nochmals kritisch zu hinterfragen, erkennen wir dies als Fehler an", betonte Kollig.

Als Sprecher der ehrenamtlichen Kommission legten Kristin Wedekind und Pfarrer Johannes Schaaf auch einen 28-seitigen "Maßnahmenkatalog" zur Aufarbeitung und Prävention von Missbrauchsfällen vor. Koch würdigte dies als "wichtigen Zwischenschritt" der innerkirchlichen Aufklärung und Aufarbeitung. Wedekind räumte ein, dass der erst später konstituierte Betroffenenbeirat daran noch nicht beteiligt war. (cbr/KNA)

01.03.22, 13.05 und 13.45 Uhr: ergänzt um weitere Details