Beeindruckendes Engagement
Nachdem Pastoralreferent Guido Zernack am vierten Adventssonntag einen Hilfeaufruf gestartet hatte, bildete sich noch in den Weihnachtsferien ein Netzwerk. Es besteht aus 20 engagierten Gemeindemitgliedern - Juristen sind ebenso im Team wie ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes, eine Caritas-Mitarbeiterin und ein Fundraising-Experte. Die Zusammensetzung sei ein "Glücksfall", sagt Zernack. Die ersten Monate waren geprägt von der Spendenakquise, dem Organisieren von Flügen, Wohnungssuche und Möblierung.
Inzwischen wurden Wohnungen für die 12 Erwachsenen und 15 Kinder gefunden und finanziert. 120.000 Euro an Spenden wurden gesammelt - auch das Erzbistum Köln unterstützte das Projekt mit 30.000 Euro.
Einleben in eine fremde Welt
Schon wenige Wochen nach der Ankunft hatten die jüngeren Kinder Kita-Plätze; die älteren besuchen spätestens ab dem neuen Schuljahr Grund- oder weiterführende Schulen. "Sie verstehen nach wenigen Monaten schon sehr viel Deutsch, nur mit dem Sprechen hapert es noch ein wenig", lobt Zernack den Lerneifer der jungen Flüchtlinge. Nun gilt es, in einem zweiten Schritt den Familien das Einleben in Deutschland zu erleichtern und ihnen bei Behördengängen zu helfen.
Sprachlich wie beruflich sollen die Kiwans schnell Fuß fassen. Da für die Teilnahme an Deutschkursen eine Aufenthaltsgenehmigung Voraussetzung ist und der Erhalt dieses Dokumentes mehrere Monate dauert, hat das Netzwerk pensionierte Pädagogen der Gemeinde für privaten Unterricht organisiert. "Alle sind total eifrig dabei", sagt der Sprecher des ehrenamtlichen Netzwerks.
Keine Almosenempfänger
Nichts tun zu können und vorübergehend völlig auf Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein - für die muslimischen Flüchtlinge, die in ihrer Heimat Ärzte und Lehrer waren, ist das keine angenehme Situation. Auch hier hat die Gemeinde einen guten Weg gefunden. Für die Erwachsenen setzten Juristen sozialversicherungspflichtige Angestelltenverträge als Putzfrauen oder Gartenhelfer auf. Die Menschen in Arbeit zu bringen und sie dafür zu bezahlen, sei für die Flüchtlinge psychologisch sehr wichtig, betont Zernack. "Sie erleben sich nicht als Almosenempfänger, sondern können etwas zurückgeben." So auch beim Pfarrfest vor den Ferien, als die Familie sich mit syrischen Köstlichkeiten für die Unterstützung durch ihre neuen Nachbarn bedankte. Inzwischen lernen einige Mitglieder des Netzwerks bei ihnen Arabisch, auch ein Kochkurs in orientalischer Küche ist geplant.
Gemeinsame Ziele
"Die Leute haben uns nicht nur nett aufgenommen - sie reden auch mit uns", freut sich Flüchtling Osama Kiwan. Persönliche Kontakte sind gewachsen, Einladungen werden ausgesprochen und auch gemeinsame Ausflüge unternommen.
Ahmad Kiwan, der seine Familie nun in Sicherheit weiß, kann seine Dankbarkeit kaum in Worte fassen. "So viele Menschen unterstützen uns, das ist toll". Alleine hätte er das niemals bewerkstelligen können, sagt er. "Es rührt mich sehr, was wir zusammen geschafft haben, nämlich etwas beinahe Unmögliches."
Inzwischen ist auch die in Bonn ansässige Deutsche Bischofskonferenz auf das ungewöhnliche Engagement der Kirchengemeinde aufmerksam geworden. Zernack berichtete vor der Migrationskommission der Konferenz, dem Bischöfe aus ganz Deutschland angehören, über die kleine Erfolgsgeschichte.
Dass die Gemeinde ihr selbstgestecktes Ziel erreichen wird, die Flüchtlinge nach einem Jahr in Deutschland nicht mehr wesentlich unterstützen zu müssen, davon ist Netzwerksprecher Zernack überzeugt. Er hält es für realistisch, dass im Frühjahr 2015 wenigstens drei Erwachsene in ihrem Beruf arbeiten und für sich und ihre Familien sorgen können.
Von Angelika Prauß