"#OutInChurch": Die Reform des Arbeitsrechts ist nicht genug
Allein der Ort zeigt, wie viel Rückhalt es innerhalb der Kirche gibt. Am Mittwoch lud die Initiative "#OutInChurch" zu einer Pressekonferenz am Rande der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Vierzehnheiligen ein. Diese fand nicht irgendwo zwischen Tür und Angel oder auf freier Wiese, sondern im Mutterhaus der Kongregation der Franziskusschwestern, unweit des Tagungsortes der Bischöfe, statt. Die Ordensfrauen unterstützen die Aktion – genauso wie zahlreiche andere Ordensgemeinschaften, kirchliche Verbände, Vereinigungen und Gläubige.
Zuvor hatten Vertreter der Aktion dem DBK-Vorsitzenden, Bischof Georg Bätzing, ihr Manifest und Listen mit den Unterstützern ihrer Petition übergeben. Rund 118.000 sind es inzwischen. Symbolisch überreichte die Initiative sechs Kisten in jeweils einer Farbe des Regenbogens und mit je einer der Forderungen. Beispielsweise stand dort "Diskriminierung stoppen", "Segen Gottes und Sakramente auch für LGBTIQ+-Personen ermöglichen" oder "Offenheit schaffen: Für eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts". Aus Nachhaltigkeitsgründen befand sich nur in einer Kiste etwas: ein USB-Stick mit den Unterzeichnenden samt einiger persönlicher Statements. Anschließend gab es ein Gespräch, an dem neben Bätzing auch der Vorsitzende der Pastoralkommission, Bischof Peter Kohlgraf, und Weihbischof Ludger Schepers, DBK-Beauftragter für Queer-Pastoral, teilnahmen. Die "#OutInChurch"-Vertreter beschreiben es als offen und gut.
Viel in Bewegung
Es ist einiges in Bewegung geraten, seit sich Ende Januar 125 Mitarbeitende der Kirche im Rahmen von "#OutInChurch" als queer – homo-, bisexuell, transgender, nicht-binär – outeten. Dies löste eine Debatte über die Lage solcher Menschen in der Kirche im Allgemeinen und über das kirchliche Arbeitsrecht im Speziellen aus. Denn nach der aktuell geltenden Grundordnung, die von den Mitarbeitenden Loyalität zur kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre verlangt, müssen sie um ihren Arbeitsplatz bangen.
Viele bischöfliche Reaktionen auf die zahlreichen Coming-Outs fielen wohlwollend aus. In einem Brief forderten zudem elf Generalvikare die Deutsche Bischofskonferenz dazu auf, kurzfristig eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts herbeizuführen und künftig in der Grundordnung auf alle Bezüge zur persönlichen Lebensführung zu verzichten. Einige Bistümer setzten die Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechts in den entsprechenden Punkten aus, bis eine neue in Kraft tritt.
Dies sei zwar ein erster Schritt, sagte Rainer Teuber, Leiter des Essener Domschatz und Mitinitiator von "#OutInChurch". Doch dieser reiche nicht. Die Selbstverpflichtungen einiger Bischöfe brächten keine Rechtssicherheit. Viele queere Menschen im kirchlichen Dienst hätten Angst, dass ihr momentaner Schutz abnehme, wenn die Aufmerksamkeit für die Aktion und ihr Thema abnehme. Daher brauche es verbindliche neue Normen. Der DBK-Vorsitzende Bätzing betonte bei seinem Auftaktstatement, dass er bei der Reform der Grundordnung für Prozesstreue und Sorgfalt einstehe. Er erwarte eine erste konkrete Beschlussvorlage im Juni.
Wie es heißt, soll es im Hinblick auf Loyalitätspflichten nach der Reform darum gehen, kirchlichen Mitarbeitenden nicht mehr Vorschriften für die persönliche Lebensführung zu machen, sondern gemeinsame Werte und Ziele in der Dienstgemeinschaft zu definieren. Doch bei der Debatte um die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts liege der Fokus zu sehr auf Homosexuellen, betonte Mara Klein, Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs – und nicht-binär. "Mir ist mit einer Reform des Arbeitsrechts noch nicht geholfen." Die rechtliche Situation von etwa von transidenten und nicht-binären Personen in der Kirche sei weiterhin prekär. Doch bei dem Gespräch mit den Bischöfen sei deren Sprachlosigkeit zum Thema Geschlechtervielfalt deutlich geworden. Dazu habe "#OutInChurch" auch seine Expertise angeboten.
Geduld am Ende
Die Ankündigung, dass das kirchliche Arbeitsrecht in den kommenden Monaten geändert werden soll, ist für Rainer Teuber ein erstes Signal. Doch das sei längst nicht genug: Alle sieben Kernforderungen des Manifests und der Petition sollen "ohne Abstriche" verwirklicht werden. "Unsere Geduld neigt sich dem Ende zu", betonte Teuber. Auf die Beschlüsse des Synodalen Wegs zu diesem Thema warten, gerade im Blick auf Segensfeiern für nicht-hetreosexuelle Paare, wollten viele nicht mehr. Der Faden, mit denen manche noch mit der Kirche verbunden seien, sei sehr dünn. Deren Hoffnung liege nun auch auf "#OutInChurch": "Man sagt zu uns: 'Sorgt bitte für Veränderungen!'"
Viele Bischöfe hätten verstanden, dass die Debatte, die die Initiative ausgelöst hat, nicht mehr zurück "in die Tube" zu bekommen sei, so Teuber. Es sei ein Paradigmenwechsel im Gange. Inzwischen müssten sich nicht mehr die in der Kirche rechtfertigen, die die Forderungen nach einer queer-freundlichen Kirche teilen – sondern die, die es nicht tun. Dennoch sei der Weg noch sehr weit. Ramona Krämer, ebenfalls Mitorganisatorin, weiß von vielen queeren Mitarbeitenden in der Kirche, die zu ihr sagen: "Ich kann das nicht so machen wie ihr, sonst fliege ich raus."