Für Prälat Karl Jüsten offenbart der Streit um die Kirchensteuer ein tieferes Dilemma

"Wir hätten früher aktiv werden müssen"

Veröffentlicht am 28.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Kirchensteuer

Bonn ‐ Für Prälat Karl Jüsten offenbart der Streit um die Kirchensteuer ein tieferes Dilemma, an dem Kirche nicht unschuldig ist.

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Jüsten reagierte damit auf Berichte, dass die Zahl der Kirchenaustritte derzeit stark ansteigt. Hintergrund ist, dass das Verfahren zur Erhebung der Kirchensteuer auf die Kapitalertragsteuer ab 1. Januar 2015 automatisiert wird.

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.
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Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.

Banken führen dann die auf Kapitalerträge anfallende Kirchensteuer automatisch an die Finanzämter ab; dazu erfragen sie derzeit die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden. In diesen Monaten bekommen Kunden entsprechende Benachrichtigungen von ihren Geldinstituten. Viele Kirchenmitglieder haben offenbar den Eindruck, dass es sich um eine zusätzliche Steuer handelt. Manche nehmen die Änderung zum Anlass, um auszutreten.

Jüsten: Keine neue Steuer

Jüsten verwies auf die Steuergerechtigkeit: Es sei "nur schwer erklärbar, wenn Arbeitnehmer auf Löhne und Gehälter ihre Kirchensteuer automatisch zahlen, Menschen mit Einkünften aus Kapitalvermögen jedoch nicht". Die Kirchen müssten aber besser erklären, dass es sich dabei um keine neue Steuer handele. "Wer im bisherigen Verfahren auf seine Zinserträge ehrlich Kirchensteuer bezahlt hat, zahlt keinen Cent mehr."

Der Prälat widersprach Äußerungen aus der evangelischen Kirche , nach der Bankberater zum Kirchenaustritt geraten hätten. "Die Banken haben korrekt informiert", sagte der Theologe. Er habe keine Belege dafür, dass "Bankberater massenhaft zum Kirchenaustritt aufgerufen haben." Dagegen hätten es die Kirchen lange versäumt, ihre Mitglieder zu informieren: "Wir selbst hätten früher aktiv werden müssen." Das katholische Büro in Berlin ist die Schnittstelle zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der Bundespolitik.

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Die Kirchen in Deutschland finanzieren sich weitgehend über die Kirchensteuer. Was passiert mit der Abgabe? Und warum gibt es die Kirchensteuer überhaupt?

Nach Einschätzung des Prälaten verweist die Debatte um die Kirchensteuer auf ein grundsätzliches Problem: "Wichtiger als das Verfahren der Kirchensteuererhebung ist für mich die Frage, wie wir es schaffen, die distanzierten Mitglieder zu halten, und wie wir die ausgetretenen Mitglieder wiedergewinnen können", sagte er.

"An diesem Bindungsverlust sind wir zum Teil selbst schuld"

Die Kirchen hätten sich bisher nicht ausreichend mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass so viele Menschen sich innerlich von der Kirche entfernt haben. "Sie erleben die Kirche nicht mehr. An diesem Bindungsverlust sind wir zum Teil selbst schuld, wenn wir uns zum Beispiel aus der Fläche zurückgezogen haben. Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, die niemand möchte." (KNA)

Hinweis: Die Deutsche Bischofskonferenz bietet eine Broschüre mit Informationen zum neuen Verfahren zum Einzug der Kirchensteuer an .

Das Wichtigste auf einen Blick

Worum geht es bei der Kirchensteuer auf Zinserträge? Seit 2009 werden auf sämtliche Kapitalerträge, die den Sparer-Pauschbetrag überschreiten, pauschal 25 Prozent Kapitalertragsteuer erhoben. Sie werden als sogenannte Quellensteuer direkt von der Bank abgeführt. Hinzu kommen der Solidaritätszuschlag in Höhe von derzeit 5,5 Prozent des Kapitalertragsteuerbetrags sowie eventuell Kirchensteuer, die je nach Bundesland 8 oder 9 Prozent des Kapitalertragsteuerbetrags ausmacht. Was ändert sich 2015? Da die Banken nicht wussten, ob jemand kirchensteuerpflichtig ist, konnte bisher kein automatischer Abzug des Kirchensteueranteils erfolgen. Es galt deshalb seit 2009 eine Übergangsregelung, nach der der Steuerpflichtige wählen konnte, ob er sein Kreditinstitut informieren oder entsprechende Angaben in seiner Steuererklärung machen wollte. Diese Übergangslösung läuft jetzt aus. Wie gehen die Banken jetzt vor? Ab 2015 werden auch die kirchlichen Abgaben auf Zinserträge direkt von der Bank abgeführt. Bei der Neuregelung handelt es sich nicht um eine neue Steuer, sondern lediglich um ein modernisiertes und automatisiertes Verfahren. Deshalb bekommen Kunden in diesen Wochen Benachrichtigungen von ihren Geldinstituten. Sehen die Bankmitarbeiter, welcher Konfession der Kunde ist? Nein, denn die Information soll in einer verschlüsselten, sechsstelligen Kennziffer verborgen werden. Kann man sich gegen die Abfrage der Religionszugehörigkeit wehren? Wer nicht will, dass die Bank über seine Religionszugehörigkeit Bescheid weiß, kann sich einen Sperrvermerk eintragen lassen. Dies muss schriftlich beim Bundeszentralamt für Steuern erfolgen. In diesem Fall muss der Steuerzahler aber weiterhin eine Einkommensteuererklärung mit den Angaben zu Kapitalerträgen abgeben, damit die Kirchensteuer korrekt abgeführt wird. (KNA)