Katholische Kirche dürfe sich nicht nur an Bibel und Tradition orientieren

Theologe Söding: "Wir brauchen Reformen – jetzt"

Veröffentlicht am 17.03.2022 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Viele Kritiker des Synodalen Wegs betrachteten es als normativ, "was in der letzten oder vorletzten Generation die Kirche geprägt hat": Laut dem Neutestamentler Thomas Söding ist das jedoch eine falsche Sichtweise.

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Der Theologe und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, pocht auf schnelle Veränderungen in der katholischen Kirche. "Wir brauchen Reformen – jetzt", sagte er am Mittwochabend im Dom von Münster. "Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft gleichberechtigt sind, aber in der Kirche nicht." Auch die Art, wie die Kirche über Sexualmoral spreche, sei nicht überzeugend. Die Kirche bleibe zudem weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, wenn sie keine neuen Formen der Teilhabe an Entscheidungen schaffe.

Söding, der Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum ist und dem Präsidium des Reformprojekts Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland angehört, sprach bei einem geistlichen Themenabend zur Fastenzeit. Er verwies darauf, dass Mut zu Neuem die Kirche seit ihren Anfängen gekennzeichnet habe. Viele Kritiker des Synodalen Wegs betrachteten es als normativ, "was in der letzten oder vorletzten Generation die Kirche geprägt hat", führte der ZdK-Vizepräsident aus. "Es kommt aber darauf an, einen längeren Atem und einen weiteren Horizont zu haben."

"Große Zukunftsaufgabe für die Kirche in Deutschland"

Die Aufgabe besteht nach den Worten des Theologen darin, die katholische Kirche in der Gegenwart neu zu buchstabieren. Bisher gebe es zu wenige Orte, Formate und Prozesse, strittige Fragen zu diskutieren. Es sei zwar wichtig, sich an Bibel und Tradition zu orientieren, darüber hinaus aber auch die Gläubigen miteinander ins Gespräch zu bringen.

"Die große Zukunftsaufgabe für die Kirche in Deutschland besteht darin, Formen zu schaffen, in denen Menschen über Gott und die Welt, Kirche und Ökumene ins Gespräch kommen", mahnte der ZdK-Vizepräsident. "Daran wird der Synodale Weg scheitern oder gelingen, dass wir in neue Formen der Glaubenskommunikation und zu einer Kirche des Dienstes, des Glaubens und der Freiheit kommen."

Beim Synodalen Weg beraten die deutschen Bischöfe und das ZdK über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland. Schwerpunktthemen des Reformdialogs sind die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Zuletzt hatte Söding den Reformprozess auf einem guten Weg gesehen, aber eine Einbindung in die Weltkirche angemahnt. Es sei nun wichtig, das "hohe Tempo" in Deutschland mit dem Tempo zu koordinieren, "das der Mega-Frachter der römisch-katholischen Weltkirche an den Tag legen kann, wenn er eine Kursänderung vornimmt", so Söding. (tmg/KNA)