Standpunkt

Gegen Putins Schoßhündchen kann sich Rom nur abgrenzen

Veröffentlicht am 20.04.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Gibt es bald ein Treffen zwischen Papst Franziskus und dem russisch-orthodoxen Patriarchen? Andreas Püttmann fragt sich, ob ein derartiger Dialog mit Kyrill überhaupt angebracht ist. Besser wäre klare Kante gegen den "Kanzelhetzer".

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In der Karwoche meldete die Agentur Reuters, der Vatikan strebe ein Treffen des Papstes mit Patriarch Kyrill an, dem korrupten Hoftheologen und Ex-KGB-Kumpanen Putins. Einem Schreibtischtäter, der dem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine "metaphysische Bedeutung" zusprach. Wie viel Perversion des Christentums ist eigentlich noch so erträglich, dass ökumenische Opportunitäten davon unberührt bleiben? Wäre ein "Weg von mir, Satan!" (Mt 16) oder zumindest eine Entlarvung klerikaler Kriegstreiber als "Heuchler", "Nattern" und "getünchte Gräber" (Mt 23) nicht adäquater als Dialog mit ihnen?

So wie der mörderische Faschismus des 21. Jahrhunderts mit der Lüge auftritt: "Ich komme, um euch zu entnazifizieren", sollten Gläubige mit einem Antichristen rechnen, der säuselt: "Ich komme, um euch zu rechristianisieren." Der kulturkämpferische Christianismus unserer Tage, vom Bibel schwingenden Trump über Bolsonaro, Orban & Co bis zum sich bekreuzigenden Putin beim Kerzenopfer, hat mit dem Evangelium nichts zu tun. Er ist häretisch.

Rechtskatholiken, die sich an frommen Fassaden ergötzen, frohlocken seit Jahren über die angebliche Rechristianisierung in Europas ex-kommunistischem Osten. "Acht Jahrzehnte lang beteten wir für die Bekehrung Russlands, dann durften wir dieses Wunder erleben", fabulierte Michael Hesemann noch 2016; dies werde, "so Maria in Fatima […] der Welt 'eine Zeit des Friedens' schenken". Angesichts der russischen Kriegsverbrechen wird nun flugs die Parole ausgegeben, Putin sei eine "Geißel Gottes" gegen westliche Dekadenz.

Religionssoziologen fühlten der neuen nationalreligiösen Political Correctness im orthodoxen Osten längst auf den Zahn: Vielfach "entbehrt das Bekenntnis zu den eigenen konfessionellen Wurzeln einer substanziellen theologischen Grundlage, bleiben die Glaubenssysteme diffus und in sich inkonsistent" (Müller 2013). Die gewachsene öffentliche Relevanz der Religion spiegle sich nur zum Teil in individuellem Glauben und kirchlicher Praxis wider. Speziell der religiöse Aufschwung in Russland mache "den Eindruck einer Luftblase" und werde auch von einheimischen Experten als "kulturelles Oberflächenphänomen", "Mode und Konformismus" gesehen (Pollack/Rosta 2015).

Gegen die fromme Travestie des Kanzelhetzers und Putin-Schoßhündchens Kyrill kann Rom sich nur scharf abgrenzen. Wie andere Kirchen, auch orthodoxe. Die feuchten Träume von Kurienprälaten, Ökumene als antiliberale Internationale organisieren zu können, dürfen nicht pontifikal legitimiert werden. Franziskus trat an, den Schutz des Humanums als Kern christlicher Weltverantwortung zum Leuchten zu bringen. Eine vatikanische Diplomatie, die den Rauch des Diabolos bei selbstbezüglichen "Gipfel"-Inszenierungen mit Weihrauch verwechselte, gäbe unserer Kirche weiterer Verachtung preis.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.