Wegen Glockengeläut: AfD zeigt Kirchengemeinden an – Propst gelassen
Der Gelsenkirchener Propst Markus Pottbäcker hat gelassen auf eine Anzeige der AfD wegen des Glockengeläuts seiner Kirchengemeinde während einer Wahlkampfveranstaltung der Partei reagiert. Er sehe der Anzeige "sehr, sehr locker" entgegen, sagte Pottbäcker am Mittwoch domradio.de. Zur Begründung führte der Geistliche an, dass die Glocken gar nicht wegen der Veranstaltung der AfD geläutet hätten, sondern ausschließlich aus liturgischen Gründen. Seit Ende Februar finde angesichts des Kriegs in der Ukraine jeden Samstag um zwölf Uhr ein Friedensgebet statt. "Und wie bei jeder Andacht, bei jedem Gottesdienst außer Karfreitag und Karsamstag, läuten wir vor dem Gottesdienst. Das war um viertel vor zwölf", so Pottbäcker. Und kurz danach, um 12 Uhr, habe es dann zum Angelus geläutet. Insofern könne von einer "groben Störung" der AfD-Veranstaltung keine Rede sein.
AfD sieht "grobe Störung" von Wahlkampfveranstaltung
An Ostern war bekannt geworden, dass die Gelsenkirchener AfD die evangelische Emmaus-Kirchengemeinde und die katholische St.-Augustinus-Kirche wegen des Glockenläutens während einer Wahlkampfveranstaltung der Partei mit der stellvertretenden Bundessprecherin Alice Weidel am 9. April in der Nähe der beiden Kirchen angezeigt hat. Die AfD beruft sich in ihrer Anzeige laut Medienberichten auf Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes. Demnach darf man "nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge" nicht "vereiteln" oder "grobe Störungen" verursachen. Laut der Gelsenkirchener Polizei wurde die Anzeige inzwischen zur Überprüfung an die Staatsanwaltschaft Essen gegeben.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider hatte zuvor erklärt, er sei "erschüttert" darüber, dass die Kirchen "einmal mehr das Symbol des christlichen Abendlandes, die Glocken, missbrauchen" würden. Schneider warf den Kirchen außerdem vor, sich "mit Linksextremisten gemeingemacht" zu haben, und forderte deshalb gar die Abschaffung der Kirchensteuer. Die Gelsenkirchener AfD-Direktkandidatin für die Landtagswahl, Enxhi Seli-Zacharias, bezeichnete die Kirchen als "politisierte und gottlose ehemalige Institutionen", die den "Kulturumbruch in unserem Land beschleunigten", weil sie außer ihren "innerinstitutionellen Schandtaten" der Gesellschaft rein gar nichts anzubieten hätten.
Propst: Wir schalten die Glocken deswegen nicht ab
In der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" zeigte sich Pottbäcker angesichts der "hasserfüllten" und "falschen" Vorwürfe seitens der AfD entsetzt. "Wir haben uns streng an die Vorgaben der Bischofskonferenz gehalten, die seit Ende Februar vorgeben, dass jeden Samstag fünf Minuten lang zum Friedensgebet gerufen wird", so der Geistliche. Dass darüber hinaus bereits seit dem 13. Jahrhundert jeden Tag um 12 Uhr die Glocken läuteten, um an die Geburt Jesu zu erinnern, "sollten doch gerade die selbst ernannten Retter des Abendlandes wissen". Von einem Protestgeläut könne also keine Rede sein. Überdies habe die AfD ihren Kundgebungsort zwischen zwei großen Kirchen, die nur wenige Meter voneinander entfernt stünden und in denen auch Hochzeiten oder Taufen stattfänden, zu denen auch die Glocken geläutet würden, selber ausgesucht.
Gegenüber domradio.de erklärte der Propst darüber hinaus, dass er mit Blick auf die AfD nicht instrumentalisiert werden wolle. Außerdem fügte er hinzu, dass er die Glocken auch bei einer Wahlkampfveranstaltung einer anderen Partei geläutet hätte: "Wir schalten die Glocken deswegen nicht ab. Wir schalten die auch nicht ab, wenn Stadtfeste sind oder so etwas." Es gebe klare Anweisungen der Bischofskonferenz, dass Glocken nur für liturgische Zwecke zu benutzen seien. "Dem werde ich natürlich immer Folge leisten, bis auf eine Ausnahme. Wenn nämlich Schalke Deutscher Meister wird, dann werde ich ganz bestimmt die Glocken in ganz Gelsenkirchen läuten lassen", erklärte Pottbäcker. (stz)