Linken-Politikerin Pau: "Wir sind keine atheistische Partei"
Die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau, ist besorgt über den Zustand der Religionsfreiheit in Deutschland. "Die Religionsfreiheit ist umstritten und immer wieder bedroht – international wie national. Im Grundgesetz ist sie garantiert, aber sie ist im Alltag nicht immer gewährleistet", sagte Pau am Mittwoch in einem Interview der evangelischen Nachrichtenagentur "idea". Konkret beklagte sie eine Zunahme antimuslimischer und antisemitischer Straftaten. "Wenn jemand seinen Glauben nicht frei leben kann, zum Beispiel weil er sich mit Glaubenssymbolen nicht frei auf der Straße bewegen kann, liegt etwas im Argen", so die Politikerin.
Zugleich sprach sich Pau dafür aus, den muslimischen Glauben in der Militärseelsorge und im schulischen Religionsunterricht zu berücksichtigen. "In der vergangenen Legislaturperiode ist endlich der Staatsvertrag für das Militärrabbinat unterzeichnet worden. Einen solchen Vertrag fordert Die Linke auch für Muslime", sagte die 58-Jährige, die seit 2006 auch Vizepräsidentin des Bundestags ist. Solange die Forderung der Linken nach einer Abschaffung der Militärseelsorge keine Mehrheit finde, setze sich ihre Partei dafür ein, dass alle Soldaten Seelsorge erhielten – auch diejenigen, die atheistisch unterwegs seien. "Mein Wunsch ist es aber, dass Seelsorge unabhängig von der Institution Bundeswehr stattfindet. Zudem denke ich, dass wir insgesamt mehr Seelsorge brauchen, zum Beispiel in den Krankenhäusern und den Justizvollzugsanstalten", so Pau.
Pau wartet auf Gesetzentwurf zu Staatsleistungen
Mit Blick auf die anhaltende Debatte über die vom Grundgesetz geforderte Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen verwies die Politikerin auf den angekündigten Gesetzentwurf der Ampelregierung. "In der vergangenen Legislaturperiode haben FDP, Grüne und Linke bereits einen Vorstoß gemacht, der aber von einer Mehrheit im Bundestag abgelehnt wurde. Inzwischen haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament geändert, und ich gehe davon aus, dass es diesmal zu einem Beschluss kommt", sagte Pau.
Seit mehr als 100 Jahren fordern deutsche Verfassungen bereits eine Ablösung der historisch bedingten Zahlungen der Bundesländer an die Kirchen. Nach allgemeiner Auffassung muss der Bund ein Grundsätzegesetz erlassen, um Rahmenbedingungen für Vereinbarungen zwischen den Bundesländern und den Kirchen zu schaffen. In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP angekündigt, "in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen" einen "fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen" schaffen zu wollen. Derzeit arbeitet das Bundesinnenministerium an einem Zeitplan für die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes.
Pau bekräftigte in dem Interview zudem die Forderung der Linken nach einer Einführung staatlich geschützter Feiertage für jüdische und muslimische Religionsgemeinschaften. Es gehe dabei um die Anerkennung der Religionen. "Wir wollen die jüdischen und muslimischen Feiertage stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein holen. Dafür könnte man jeweils einen hohen Feiertag auswählen, an dem alle arbeitsfrei bekommen", betonte Pau. Welche Tage dafür in Frage kämen, solle mit den Religionsgemeinschaften besprochen werden.
Kritik an Linken-Forderung nach Abschaffung der Säuglingstaufe
Die Forderung ihrer Partei nach einer Abschaffung der Säuglingstaufe erteilte Pau dagegen eine Absage: "Ich bin mir nicht sicher, ob diese Position noch im nächsten Wahlprogramm stehen wird. Mit dieser Forderung hatte sich die Arbeitsgemeinschaft 'Säkularität' zu nächtlicher Stunde auf einem unserer Bundesparteitage durchgesetzt." Sie selbst arbeite derzeit in einer Kommission "Religionsgemeinschaften, Weltanschauungsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft" des Parteivorstandes der Linken. Diese stelle demnächst ein Papier mit Empfehlungen vor. "Darin schreiben wir auch, was nicht Bestandteil parteipolitischer Forderungen sein sollte", sagte die Politikerin. Die Forderung nach einer Abschaffung der Säuglingstaufe etwa habe aus ihrer Sicht im Parteiprogramm nichts zu suchen. "Wir sind keine atheistische Partei", betonte sie.
Pau ist seit Mitte Januar religionspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag. Sie folgte auf dieser Position der langjährigen Sprecherin Christine Buchholz, die den Wiedereinzug in den Bundestag bei der Wahl im September verpasst hatte. Pau ist ein politisches Schwergewicht der Linksfraktion: Sie ist die dienstälteste Abgeordnete ihrer Partei im Bundestag, war von 2000 bis 2002 und noch einmal von 2005 bis 2008 stellvertretende Fraktionsvorsitzende und ist seit 2006 für die Linke eine der Vizepräsidentinnen des Parlaments. Aus der evangelischen Kirche ist Pau nach eigenen Angaben in der 10. Klasse ausgetreten. (stz)