Christen in Russland und Ukraine feiern Ostern ohne Waffenruhe
Im Schatten des russischen Kriegs in der Ukraine haben die mehreren hundert Millionen orthodoxen Christen weltweit am Sonntag das Osterfest begangen. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. gratulierte bereits kurz nach Mitternacht in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale den Gläubigen zum Osterfest. An der landesweit live im Fernsehen übertragenen Messe nahm auch Präsident Wladimir Putin teil. Er hielt eine rote Kerze in der Hand und bekreuzigte sich mehrmals.
Am Ende des Gottesdienstes übergaben sich Kyrill I. und Putin Geschenke. Das Kirchenoberhaupt erhielt vom Kreml-Chef ein verziertes Osterei. In seinen am Vormittag veröffentlichten Osterglückwünschen schrieb Putin an Kyrill I.: "Dieser bedeutende Feiertag vereint die orthodoxen Christen, alle Bürger Russlands, die die Auferstehung Christi feiern, um große moralische Ideale und Werte. Er weckt in den Menschen die hellsten Gefühle, den Glauben an den Sieg des Lebens, des Guten und der Gerechtigkeit." Es sei "erfreulich, dass die Kirche unter Eurer Heiligkeit eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Staat entwickelt und einen großen Beitrag zur Förderung traditioneller spiritueller, moralischer und familiärer Werte in der Gesellschaft" geleistet habe.
Erstes Treffen seit Beginn des Krieges
Es war die erste öffentliche Begegnung des Präsidenten mit dem Moskauer Patriarchen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar. Putin nimmt traditionell an der Ostermesse des Kirchenoberhaupts in Moskau teil. Wegen der Corona-Pandemie hatte er allerdings zuletzt darauf verzichtet. In diesem Jahr besuchten laut der Nachrichtenagentur Interfax allein in der russischen Hauptstadt fast 600.000 Menschen Ostergottesdienste.
Kyrill I. sprach bei der Messe den Krieg nicht an. Das erste, was jeder Christ aus dem Osterfest ziehen sollte, sei "die absolute Gewissheit des endgültigen Sieges der Wahrheit"; denn dafür habe der Erlöser gelitten und sei auferstanden, sagte er. Das bedeute, dass alle Christen auf der Seite des Sieges stünden, egal wie schwierig ihr Alltag sei. "Und möge der Herr uns helfen, dieses Gefühl der Teilhabe am großen Sieg unseres Erlösers über die Sünde, über den Fluch, über den Tod zu bewahren", fügte er hinzu. Im März hatte der Patriarch den russischen Angriffskrieg als "metaphysischen Kampf" des Guten gegen das Böse aus dem Westen gerechtfertigt.
In fast der gesamten Ukraine konnten wegen der kriegsbedingten nächtlichen Ausgangssperre erst am Sonntagmorgen Ostergottesdienste gefeiert werden. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj bat in einer Videobotschaft zum Osterfest "Gott um große Gnade, damit unser großer Traum wahr wird; ... der Tag, an dem großer Frieden in die Ukraine kommen wird. Und mit ihm ewige Harmonie und Wohlstand." An anderer Stelle sagte er: "Großer und einziger Gott, rette unsere Ukraine!" Das Video wurde in der Kiewer Sophienkathedrale aufgezeichnet, der bedeutendsten Kirche der Stadt.
Der orthodoxe Kiewer Metropolit Epiphanius verurteilte auf Twitter, dass dem russischen Militär nichts heilig sei und auch zu Ostern weiter Krieg führe. In Odessa seien am Samstag mehrere Zivilisten getötet und verletzt worden. Seine Osterglückwünsche verband er mit den Worten: "Mögen Ihre Herzen mit festem Vertrauen auf den Sieg des Guten und Wahren, auf den Sieg der Ukraine erfüllt sein."
Papst: Traurig, dass Waffen österliche Freude zerstören
Derweil rief Papst Franziskus erneut zu einem Ende des Ukraine-Kriegs auf. Es sei traurig, dass die Waffen die österliche Freude zerstörten, sagte Franziskus beim Mittagsgebet am Sonntag auf dem Petersplatz. Zum orthodoxen Osterfest wünsche er sich eine Überwindung dieses "barbarischen Krieges". Auch das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, forderte erneut eine sofortige Beendigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dieser "Bruderkrieg" untergrabe wie jeder Krieg die Menschenwürde und verletze das Gebot der Nächstenliebe, sagte er in der Nacht zum Sonntag in Istanbul in seiner Messe zum orthodoxen Osterfest. Der Patriarch verlangte die Öffnung von Fluchtkorridoren für die eingeschlossenen Zivilisten in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol.
Im vom Krieg weitgehend zerstörten Mariupol und in anderen Regionen der Ukraine spielten sich "unbeschreibliche menschliche Tragödien" ab, so Bartholomaios I. nach Angaben des Patriarchats von Konstantinopel. "Wir wissen mit Sicherheit, dass die Kräfte des Bösen, der Gewalt und der Ungerechtigkeit, die die Menschheit weiterhin plagen, am Ende nicht siegen werden". Weder Russland noch Kreml-Chef Wladimir Putin nannte er beim Namen.
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Der russische Krieg in der Ukraine überschattete auch die orthodoxen Osterfeiern in Jerusalem. Zwar konnten erstmals seit zwei Jahren wieder ausländische Pilger zum Fest einreisen. Doch die israelische Polizei verhängte für das Christenviertel in der Jerusalemer Altstadt strenge Zugangsbeschränkungen. Statt rund 10.000 Teilnehmern in Vor-Corona-Zeiten wurden 4.000 zu den zentralen Feiern in der Grabeskirche eingelassen. Zudem kamen bedeutend weniger Besucher aus der Ukraine und aus Russland als sonst.
Höhepunkt des Osterfestes war am Samstagmittag die uralte Liturgie des "Heiligen Feuers". Der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III. zog in langer Prozession zur Kapelle über dem Grab Christi. Nach einem Gebet in der Grabkammer trat er mit zwei brennenden Kerzenbündeln heraus und segnete die Menge. Nach orthodoxem Volksglauben entzündet sich zum Osterfest die Flamme auf wundersame Weise über der Grabplatte.
In der vergangenen Woche hatten die Jerusalemer Christenführer einen Rechtsstreit mit Israels Behörden über die strikten Zugangsbeschränkungen geführt, konnten sich aber nicht durchsetzen. Mit der gerichtlichen Anhebung der Obergrenze von 1.700 auf 4.000 zeigten sie sich nicht zufrieden. Viele Gläubige kamen an den Kontrollposten nicht weiter. Die Abgewiesenen machten ihrem Unmut teils deutlich Luft und es kam zu Handgreiflichkeiten. (cbr/KNA)
24.04., 13 Uhr: Ergänzt um Aussagen von Patriarch Bartholomaios I.
24.04., 16.30 Uhr: Ergänzt um Aussage von Papst Franziskus und Details zum orthodoxen Osterfest in Jerusalem.