Pollack: Fehlen religiöser Erziehung lässt Religiosität abnehmen
Nach Ansicht des Münsteraner Religionssoziologen Detlef Pollack gehört das Fehlen religiöser Erziehung in vielen Familien zu den Hauptgründen für die abnehmende Religiosität bei jungen Menschen in Deutschland. "Immer weniger Jugendliche, immer weniger Kinder werden in den Familien religiös erzogen", sagte er am Samstag dem Kölner katholischen Internetportal domradio.de. Das habe zur Konsequenz, dass bei jungen Menschen unter 30 die Zahl der Christen so stark rückläufig sei.
In der am Dienstag vorgestellten Trendstudie "Jugend in Deutschland – Sommer 2022" hatten außerdem auch von den befragten jungen Christen nur 25 Prozent gesagt, dass Glaube etwas Wichtiges in ihrem Leben sei. Von den jungen Muslimen stimmten 52 Prozent der Aussage zu.
Diesen Unterschied führt Pollack unter anderem darauf zurück, dass die Minderheit der Zugewanderten sich "gewissermaßen zur Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft aufgefordert" fühle. In diesem Zusammenhang diene Religion oft dazu, sich der eigenen Identität zu vergewissern: "Ich verstehe mich als Muslim und das heißt, ich bin anders als ihr, aber ich will trotzdem dazugehören." Dies habe oft mehr mit kultureller Identifikation als mit Spiritualität zu tun.
Mehr kulturelle Identifikation als Spiritualität
Bei den Kirchen, so der Soziologe weiter, sei auch schon länger zu beobachten, "dass bei den Jüngeren die Gefühle der Verbundenheit mit der Kirche geringer sind als bei den Älteren". Das beschleunige den Rückgang der Religiosität und mache auch den Kirchenaustritt wahrscheinlicher: "Und ein ganz wichtiger Faktor: Je weniger Christen es gibt, desto weniger fühlt man sich durch seine Umgebung, durch die Menschen in der eigenen Nachbarschaft, in der Familie, in seinem Glauben gestärkt. Das hat natürlich auch eine Konsequenz dafür, ob man den Glauben und die Zugehörigkeit zur Kirche aufrechterhält oder nicht."
Um gegenzusteuern, machten die Kirchen schon eine ganze Menge, fügte Pollack hinzu: "Die sind viel offener für die Menschen, dialogischer. Sie versuchen, die Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen. Das hilft aber eben alles nicht oder nur ganz, ganz wenig. Vielleicht wäre es noch schlimmer, wenn die Kirchen da nicht gegensteuern würden."
Zugleich empfahl er den Kirchen, möglichst früh anzusetzen, am besten im Kindheitsalter: "Da werden im Grunde die religiösen Orientierungen geprägt und das wirkt sich bis ins Alter aus." Allerdings seien die Einwirkungsmöglichkeiten begrenzt. Besonders wichtig aber, so der Experte weiter, sei es, in Krisensituationen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen: "Viele Menschen wollen in solchen Situationen der Krise oder des Umbruchs und auch der biografischen Desorientierung begleitet werden. Und dann ist es wichtig, dass die Kirchen zur Seite stehen und in der Lage sind ihre Dienste anzubieten." (KNA)