Kardinäle streiten über wiederverheiratete Geschiedene

"Krieg der Theologen"

Veröffentlicht am 04.10.2014 um 00:00 Uhr – Von Thomas Jansen (KNA) – Lesedauer: 
Familiensynode

Rom ‐ In der katholischen Kirche passiert in diesen Tagen bislang Unvorstellbares: Kurz vor Beginn der Weltbischofssynode über die Familie tragen Kardinäle in aller Öffentlichkeit eine Debatte untereinander aus, die so offen, direkt und zuletzt sogar persönlich verletzend geführt wurde, dass sich Beobachter schon mit Blick auf die politische Bühne wähnten. Im Mittelpunkt des Streits steht eine Frage: Soll die katholische Kirche wiederverheirateten Geschiedenen den Empfang der Kommunion erlauben?

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Bevorzugte Zielscheibe der Kritik ist Walter Kasper, der emeritierte deutsche Kurienkardinal, der für eine behutsame Änderung der bisherigen Praxis plädiert. Manche in Rom mutmaßen freilich, dass die Kritik eigentlich Papst Franziskus selbst gelte.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Was bedeutet eigentlich das Wort Synode und welche Formen von diesen Bischofstreffen gibt es? Die Zeichentrickserie "Katholisch für Anfänger" erklärt es auf einfache Weise.

Der US-Kurienkardinal Raymond Leo Burke unterstellte seinem früheren Vatikankollegen Kasper, er maße sich an, im Namen des Papstes zu sprechen. Das sei "unverschämt". Am Freitag wurde in Rom ein Buch mit dem italienischen Titel vorgestellt: "Das Evangelium der Familie in der synodalen Debatte jenseits des Vorschlags von Walter Kasper". Das Vorwort schrieb Kardinal George Pell, Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates. Italienische Medien sprachen schon von einem "Krieg der Theologen".

Dogma oder nicht?

Im Kern der Debatte geht es nicht um wiederverheiratete Geschiedene allein, sondern um ein grundsätzlicheres Problem: Wie verhalten sich Theorie und Praxis zueinander, kirchliche Lehre und seelsorgerischer Alltag? Kasper und die Befürworter einer Änderung verweisen darauf, dass der Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener nicht den Rang eines Dogmas habe, sondern eine disziplinarische Maßnahme und damit veränderbar sei. Das Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe bliebe aus ihrer Sicht durch eine Änderung unberührt. Die Gegner eines solchen Schrittes, etwa Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation, argumentieren hingegen, eine Änderung der kirchlichen Praxis stelle das Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe selbst infrage. Für sie entstünde dadurch ein unzulässiger Gegensatz zwischen kirchlicher Lehre und seelsorgerischer Praxis.

Ein Kompromiss erscheint kaum möglich. Eine halbe Wiederzulassung zur Kommunion gibt es schließlich nicht. Und auch ein Kuhhandel nach dem Motto "Wir kommen euch bei den wiederverheirateten Geschiedenen entgegen, und dafür bleibt alles andere, wie es ist" erscheint abwegig.

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Video: © katholisch.de

Bischöfe und Laien über ihre Erwartungen an die Familiensynode im Vatikan.

Es gibt auch Abstufungen

Kasper oder etwa der Wiener Kardinal Christoph Schönborn verweisen jedoch auf eine Denkfigur des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), die eine Veränderung der Praxis erlaube, zugleich das Dogma aber nicht infrage stelle. Das Konzil hatte erstmals anerkannt, dass auch in anderen christlichen Gemeinschaften Elemente einer Kirche vorhanden sein könnten, auch wenn sie keine Kirchen im vollen Sinne darstellten. Grob gesagt: Es gibt nicht nur "alles oder nichts", sondern auch Abstufungen; etwas kann teilweise verwirklicht sein.

Diese Sichtweise lässt sich nach Ansicht Kaspers und Schönborns auch auf die Ehe übertragen. Unter diesen Voraussetzungen ließe sich auch ein anderer Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen theologisch untermauern. Der Clou der Argumentation: Warum soll die Kirche ein Prinzip, dass sie in ihrem Verhältnis zu anderen Konfessionen schon seit 50 Jahren anwendet, nicht auch auf die Ehe übertragen?

Ob die Gegner einer Änderung sich davon überzeugen lassen, bleibt abzuwarten - zumal viele ihrer Einwände erkennen lassen, dass es ihnen nicht nur um wiederverheiratete Geschiedene allein geht. Sie befürchten offenbar einen Dammbruch in der katholischen Morallehre insgesamt. Stattdessen plädieren sie für eine Straffung und Beschleunigung der oft langwierigen Ehenichtigkeitsverfahren. Viele kirchlich geschlossene Ehen seien heute ungültig, weil sich die Paare zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht darüber im Klaren gewesen seien, was eine katholische Ehe bedeutet. Auf diese Weise ließe sich das Problem zwar nicht aus der Welt schaffen, aber zumindest die Zahl der wiederverheirateten Geschiedenen reduzieren.

Von Thomas Jansen (KNA)