Glaube gibt ihm nach Krebsdiagnose Kraft

Ein preußischer Rheinländer: CDU-Politiker Wolfgang Bosbach wird 70

Veröffentlicht am 11.06.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bergisch Gladbach ‐ "Ich bin ja so ein rheinischer Katholik: Hier unten so leben, dass man oben so eben noch reinkommt", sagte CDU-Politiker Wolfgang Bosbach einmal im Interview. Aus der Politik hat er sich zurückgezogen – das Rentnerleben liegt ihm trotzdem nicht.

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"Für mich gilt: Nie die Hoffnung aufgeben, weiter kämpfen und das Leben genießen, solange es geht." Eine passende Devise für einen rheinischen Katholiken. Wolfgang Bosbach ist ein Kämpfer, der weder sich noch andere schont, zugleich aber andere Meinungen gelten lassen konnte. Am 11. Juni wird der Christdemokrat und versierte Innenpolitiker 70 Jahre alt.

Aus der aktiven Politik hat er sich verabschiedet. Seine persönlich Homepage www.wobo.de ist seit 2021 nicht mehr aktualisiert. Im August 2021 kündigte Bosbach zudem an, keinen Wahlkampf mehr für die CDU zu machen. Als Grund nannte er die heftige, auch innerparteiliche, Kritik an einem Wahlkampf-Auftritt mit Hans-Georg Maaßen. Immer noch aber meldet er sich zu Wort: in Interviews oder als Redner bei großen Veranstaltungen. Aktuell arbeitet er an einem Buch mit dem Titel "Wer glaubt uns noch – Warum Politik an Vertrauen verliert und was wir dagegen tun können".

Im August 2016 kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an. Aus gesundheitlichen Gründen. Aber auch, weil er den Spagat zwischen eigener – wertkonservativer – Meinung und der Politik der Union nicht mehr mittragen wollte. "Ich möchte nicht mehr meine Zeit damit verbringen, gegen eine große Mehrheit meiner Partei und der Kollegen in der Fraktion zu argumentieren", sagte er. "Ich möchte mich nicht weiter aufreiben."

Rheinländer von Geburt und aus Überzeugung

Das Rentnerleben liegt ihm trotzdem nicht. Also weiter im Hamsterrad: Seit März 2020 diskutierte er zusammen mit Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel auf bild.de unter der Überschrift "Corona-Klartext". Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) berief ihn zum Vorsitzenden einer Kommission, die die Sicherheitsarchitektur in NRW einer "Generalrevision" unterziehen sollte.

"Ich bin Rheinländer von Geburt und aus Überzeugung. Aber in puncto Arbeitsmoral bin ich 110-prozentiger Preuße", beschrieb der in Bergisch Gladbach geborene Politiker seine Arbeitsweise. Journalisten erreichten ihn noch zu später Stunde. In Talk-Shows gehörte der eloquente Experte für Innenpolitik lange zu den Dauergästen.

Wolfgang Bosbach: Für die Krise habe ich keine Zeit

Rheinländer haben den Ruf, Frohnaturen zu sein. Daran hält sich CDU-Politiker Wolfgang Bosbach auch in der Corona-Krise - zumal Deutschland im Vergleich ja noch gut dran ist. Manchmal packt ihn aber auch die Wehmut. Dann will er sein altes Leben zurück.

Bosbach arbeitete in den 70er Jahren zunächst als Einzelhandelskaufmann, holte Abitur und Jurastudium nach, arbeitete als Rechtsanwalt. Der Fußballfan und Anhänger des 1. FC Köln engagierte sich in der Hospizbewegung und liebt den Karneval – auch als Ehrenpräsident der KG "Großer Gladbacher von 1927". Den Karneval solle man "nicht auf Pappnase, Schunkeln oder dreimal Alaaf reduzieren", vermittelte er seine rheinische Philosophie. "Ich bin ja so ein rheinischer Katholik: Hier unten so leben, dass man oben so eben noch reinkommt!"

Bosbach, seit 1994 im Bundestag und bis 2009 Vizechef der Unionsfraktion, zeigte sich heimatverbunden. Interviews gab er gerne vor bergischer Fachwerk-Kulisse. In seinem Wahlkreis holte "WoBo" große Mehrheiten. Der CDU-Politiker genoss über alle politischen Lager hinweg Sympathien – auch wenn er in der Familien- und Gesellschaftspolitik konservative Positionen bezog.

Inzwischen gibt ihm der Glaube Kraft

Seine eigene Familie kam dabei häufig zu kurz: "Er hat sich aus der Erziehung – von mir und meinen beiden Schwestern – ziemlich herausgehalten", berichtete eine seiner drei Töchter. "Was vor allem daran lag, dass er fast nie da war." Seit einem Jahr ist Bosbach auch begeisterter Großvater.

Als Querulant und Parteirebell sah er sich nicht; die CDU bleibe seine politische Familie, betonte er. Allerdings musste er zusehen, wie sich die Gewichte in der Merkel-CDU verschoben. Etwa in der Euro-Rettungspolitik. "Auch Teile der Flüchtlingspolitik kann ich nicht mehr verantworten." Sein Verhältnis zur Kanzlerin war schwierig. Das von ihm ins Auge gefasste Amt des Bundesinnenministers hat er nie bekommen.

Mit seiner Krankheit geht er offen um. 2012 machte er öffentlich, dass er unheilbar an Prostata-Krebs erkrankt sei, ehe er 2013 zum sechsten Mal in den Bundestag einzog. 2016 musste ihm ein Teil seiner von Metastasen befallenen Lunge entfernt werden. Nach der Krebsdiagnose habe er mit Gott gehadert, sagt er. Inzwischen gebe ihm der Glaube Kraft. Es beruhige es ihn, dass man nicht tiefer fallen könne als in Gottes Hand.

Von Christoph Arens (KNA)