Abschiednehmen vom Priester als "heiligem Mann"
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Die lange erwartete Münsteraner Missbrauchsstudie ist veröffentlicht – und offenbart abermals ein erschreckendes Ausmaß an sexualisierter Gewalt in einer deutschen Diözese. Sämtliche Bischöfe seit 1945 haben demnach im Umgang mit Missbrauch falsch gehandelt. Doch Fehlverhalten attestieren die Forscher nicht nur den (Ober-)Hirten. Auch die Gemeinden, die Gläubigen haben dazu beigetragen, dass geschehen konnte, was geschehen ist – durch Wegsehen, durch Verschweigen. Ein Stichwort, das in dem Zusammenhang fällt, ist die Vorstellung vom Priester als "heiligem Mann".
Ein fehlerloser Mann, der nicht kritisiert und hinterfragt werden kann, da er doch die heilige katholische Kirche qua Weihe vertritt: Dass dieses Bild schlicht falsch ist, müsste inzwischen eigentlich jedem klardenkenden Menschen bewusst sein. Fast täglich werden neue Missbrauchsvorwürfe gegen Kleriker publik, nachweislich haben katholische Priester teilweise über Jahrzehnte widerwärtigste Taten verübt. Aber nicht nur das: Priester sind zudem verantwortlich für Finanzskandale, sind oft im Job überlastet und können ausbrennen, sind gegen Krisen aller Art nicht gefeit. Keine "Übermenschen" also.
Doch in gewissen Kreisen ist der Priester bis heute der "heilige Mann" geblieben. Das ist nicht nur, aber auch dort der Fall, wo das vorkonziliare Bild einer klerikerzentrierten Kirche vorherrscht. Zu Recht hat der Papst kürzlich vor Bischöfen und Priestern das Tragen von Priesterkleidung aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil kritisiert. Franziskus weiß nur zu gut: Solche textilen Vorlieben dienen nicht selten als äußeres Zeichen für ein längst korrigiertes Priester- und Kirchenverständnis.
Zweifelsohne: In der katholischen Kirche gibt es unzählige gute Hirten. Doch im Klerus können sich auch unfassbare Abgründe auftun. Notwendig ist ein Abschiednehmen von der Überhöhung des Priesters – die Weihe macht einen Menschen nicht heilig. Priesterliche Verantwortung muss zudem in die Hände von "Laien" abgegeben werden. Das mindert nicht nur die Gefahr von Klerikalismus und (Macht-)Missbrauch, sondern beugt auch einer schlichten Überforderung der Amtsträger vor. Wie gut, dass die katholische Kirche in Deutschland mit dem Synodalen Weg genau diese Themen anpackt.
Der Autor
Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.