In Straßburg hat man offenbar Probleme mit der Art des Bischofs
Vatikan-Botschafter sind vor allem eines: diskret. Wenn der Papst ein Bistum überprüfen lässt, dann wird das selten über die Nuntiatur öffentlich angekündigt. In Frejus-Toulon zum Beispiel war die "Apostolische Visitation" längst durchgeführt, bevor Anfang Juni die Bombe platzte: Der Vatikan setzt die geplanten Priesterweihen im Bistum aus. Für das Erzbistum Straßburg allerdings teilte die Vatikanbotschaft in Paris am Donnerstag schriftlich mit: Am Montag rücken Visitatoren an.
Zunächst war die Verblüffung groß. In Toulon war bald klar: Es dreht sich um die Aufnahme von Weihekandidaten, die nicht über Zweifel erhaben waren; und das über Jahre. Aber was ist im wohlhabenden, kirchlich eher unauffälligen Straßburg los? Die Zeitungen "Le Figaro" und "La Croix", kirchenpolitisch eher in unterschiedlichen Lagern unterwegs, sind sich hier am Freitag einig: Es geht um den Führungsstil des Bischofs.
Bollerköpfig und menschenfern oder "absolut nahbar"
Luc Ravel (65), Mitglied des Kanonikerordens der Augustiner-Chorherren, ist seit 2017 im Amt; zuvor war er Militärbischof. Kritiker beschreiben ihn als bollerköpfig und menschenfern, zuweilen schneidend und autoritär. Ein Befund, den andere aus seinem Umfeld zurückweisen: Der Bischof sei "absolut nahbar"; mit ihm könne man alle Dinge besprechen.
An der persönlichen Ausrichtung Ravels sollte Franziskus nichts auszusetzen haben, meint der "Figaro": keineswegs Traditionalist; Anhänger der Spiritualität des Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin. Und der einzige französische Bischof, der öffentlich zur Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron aufrief. Der Hase scheint woanders im Pfeffer zu liegen.
Das Erzbistum Straßburg ist deutlich vermögender als die meisten anderen Diözesen in Frankreich. Das liegt an einer staatskirchenrechtlichen Besonderheit im Elsass und in Lothringen: Die laizistische Dritte Republik hat 1905 das französische Konkordat von 1801 aufgekündigt und für Frankreich eine strikte Trennung von Staat und Kirche vollzogen. Allerdings gehörten Elsass und Lothringen zwischen den Kriegen von 1870/71 und 1914/18 zu Deutschland – so dass das Konkordat dort bis heute in Kraft ist. Und das bedeutet: Der französische Staat zahlt die Gehälter der Geistlichen – und zahlt Bauzuschüsse.
Das, so zitiert "La Croix" einen Insider der Diözese, vermittele den Priestern und Seelsorgern "ein gewisses Gefühl der Unabhängigkeit gegenüber dem Bischof". Einige achteten gut auf die Vorteile, die sie aus ihrer wirtschaftlich komfortablen Position zögen. Und, so ein anderer: "Die Elsässer mögen es nicht, zu arg angerempelt zu werden." Unmut, schreibt die Zeitung, habe es schon wenige Wochen nach Ravels Ankunft gegeben, als der Bischof christliche Sattheit kritisierte und erklärte, niemand könne ein guter Pfarrer sein ohne leidenschaftliche Liebe zu Christus. Als Entree gleich abgekanzelt zu werden, hat offenbar viele empört.
Personalentscheidungen als autoritär empfunden
Personalentscheidungen Ravels und Versetzungen wurden als autoritär empfunden. Seelsorger sprechen über "Einsamkeit und eine Kluft zwischen Bischof und Mitarbeitern, die sich immer weiter vertieft". Anfang Juni dann berichteten die "Dernieres Nouvelles d'Alsace" über die kühle Entlassung des Finanzchefs der Diözese, Jacques Bourrier. Der frühere Marineoffizier kündigte an, die Entscheidung, die ohne Begründung erfolgt sei, vor Gericht anzufechten – und sprach von "Bananenrepublik-Praktiken des Bischofs".
Auch habe, so heißt es, die Priester erbost, dass Ravel in der diesjährigen Karwoche bei der Chrisam-Messe fehlte; normalerweise die einzige Messe im Jahr, die der Bischof mit all seinen Priestern feiert. Ravel hatte offenbar vorgezogen, den Präsidentschaftskandidaten Macron in Straßburg zu empfangen.
Mit der Visitation beauftragt wurde der frühere Sprecher der Französischen Bischofskonferenz, Bischof Stanislas Lalanne von Pontoise. Er kommt mit einem Blick von außerhalb der Region Grand Est und spricht auch gut Deutsch. Bischof Ravel selbst teilte auf der Website der Diözese mit, er begrüße "im Glauben und in Vertrauen die Entscheidung von Papst Franziskus". Er habe für sich "keinen Zweifel, dass unsere prächtige Kirche im Elsass friedlich daraus hervorgehen wird".