Früherer Münchner Erzbischof wegen Verhalten in NS-Zeit umstritten

Würzburg: Experten gegen Umbenennung von Kardinal-Faulhaber-Platz

Veröffentlicht am 30.06.2022 um 15:22 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Soll der Kardinal-Faulhaber-Platz umbenannt werden? Diese Frage stellt sich die Stadt Würzburg wegen der umstrittenen Position des berühmten Kirchenmanns zum NS-Regime. Eine Expertenrunde befasste sich nun damit – und kam zu einem klaren Ergebnis.

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Ein nach dem früheren Münchner Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952) benannter Platz in Würzburg soll nach der Ansicht von Experten aus Geschichtswissenschaft und Theologie keinen neuen Namen erhalten. Bei einer öffentlichen Diskussionsrunde am Dienstag in Würzburg plädierten die vier eingeladenen Fachleute einstimmig gegen eine mögliche Umbenennung. Die Veranstaltung sollte einen Beitrag zu einer Entscheidung des Würzburger Stadtrats leisten.

Faulhaber ist vor allem wegen seiner ambivalenten Haltung zum NS-Regime umstritten. 2020 hatte die Würzburger Kommission zur Überprüfung von Straßennamen nach vier Jahren eine Untersuchung zu verschiedenen Namensgebern vorgelegt, darunter auch Faulhaber. In seinem Fall kam die Kommission allerdings zu keinem Urteil. Stattdessen schlug sie eine öffentliche Diskussionsrunde mit ausgewiesenen Faulhaber-Experten vor. Bei den Referenten handelte es sich um die Kirchenhistorikerin Antonia Leugers, die Historiker Andreas Wirsching und Wolfgang Weiß sowie Hans-Joachim Hecker, den langjährigen stellvertretenden Leiter des Stadtarchivs München.

Keine aktive Verstrickung

Die Diskussionsteilnehmer begründeten ihre Position damit, dass für eine Umbenennung des Platzes eine aktive Verstrickung Faulhabers in das NS-System vorliegen müsse. Dies sei nicht der Fall. Dennoch übten sie Kritik am Verhalten und Agieren des Kardinals. So betonte Andreas Wirsching, dass Faulhaber, der zwar weder Rassist noch Antisemit gewesen sei, aus Angst vor einem neuen Kulturkampf gegen die katholische Kirche nicht gegen den Holocaust protestiert habe. Seine spätere Sicht auf die Kirche als Inbegriff des Widerstandes sei "eine Lebenslüge". Antonia Leugers erklärte, dass Faulhaber sich aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades, ähnlich wie der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen, klarer hätte positionieren können. Sie sprach sich dafür aus, das Straßenschild mit einer Erklärtafel zu ergänzen, um das Zwiespältige der Persönlichkeit Faulhabers zu verdeutlichen.

Michael von Faulhaber stammt aus dem Bistum Würzburg und gilt als einer der bedeutendsten Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts. 1911 wurde er Bischof des damals zu Bayern gehörenden Speyer, 1917 schließlich Erzbischof von München und Freising. 1921 wurde er zum Kardinal ernannt. Seine Rolle während der Weimarer Republik und der darauffolgenden Nazidiktatur ist seit Jahren Gegenstand von Debatten. So betrachten ihn manche als überzeugten Gegner des NS-Regimes, andere als dessen Sympathisanten und erklärten Demokratie-Gegner. Im November 1952, wenige Monate nach seinem Tod, wurde er Namensgeber eines Platzes in der Würzburger Innenstadt. (mal)