Bistum veröffentlicht Aussetzungsdekret für Kentenich-Seligsprechung
Das Bistum Trier hat die Seligsprechung des Schönstatt-Gründers Pater Josef Kentenich nun auch mit einem offiziellen Erlass des Bischofs ausgesetzt. Im aktuellen Amtsblatt (Juli) wurde das auf den 3. Mai datierte "Dekret über die Aussetzung des Seligsprechungsverfahrens für Pater Josef Kentenich" veröffentlicht. Das vorläufige Ende des Verfahrens wurde am selben Datum auch öffentlich bekannt gegeben, bis jetzt war das formale Dekret aber noch nicht bekannt. Darin wird bekräftigt, dass mit der Entscheidung "kein abschließendes Urteil über Leben und Wirken" Kentenichs gefällt werde. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird, "sollten neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse vorliegen, die all die offenen Fragen zufriedenstellend beantworten", schließt das von Ackermann und einer Kirchennotarin des Trierer Offizialats unterzeichnete Dekret.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion in Kirche und Gesellschaft um die Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche, einer neuen Sensibilisierung für geistlichen Missbrauch sowie zwischenzeitlich gewonnener neuen Erkenntnisse stelle sich die Frage, "ob das bisher bereits Unternommene im Hinblick auf die Möglichkeit, im Verfahren über das Leben, über die heroischen Tugenden und über den Ruf der Heiligkeit und der Zeichen für den Diener Gottes P. Josef Kentenich eine abschließende Entscheidung treffen zu können, ausreichend ist", heißt es im Dekret. Den 2020 von der Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach aufgedeckten Vorwürfe gegen den Schönstatt-Gründer sei "in ihrem Kern" im Rahmen des bereits 1975 eröffneten Seligsprechungsverfahrens bereits nachgegangen worden. "Erste vorgenommene Bewertungen haben damals kritische Fragen hinsichtlich der Stichhaltigkeit der vorgebrachten Vorwürfe gestellt", erläutert das Dekret. Eine abschließende Beurteilung habe aber noch nicht vorgenommen werden können, da nicht alles relevante Quellenmaterial zugänglich gewesen sei.
Mit der Öffnung der vatikanischen Archive aus der Zeit des Pontifikats von Papst Pius XII. (1939–1958) sei nun Historikern der Zugang zu weiterem relevanten Quellenmaterial möglich, "das aber bislang nicht zugänglich und folglich auch nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte". Teuffenbach war in Unterlagen der Visitation der Schönstatt-Bewegung in den Jahren 1951 bis 1953 durch den Jesuiten Sebastian Tromp auf dabei entdeckte Missstände aufmerksam geworden.
Kentenich-Forschung künftig ohne Bistum
Unter Verweis auf intensiven Austausch mit Experten aus der Geschichtswissenschaft, der Psychologie und der Pädagogik erläutert Ackermann den Verzicht auf die Einsetzung einer weiteren Historikerkommission, wie sie die Normen für Seligsprechungsverfahren vorsehen. Stattdessen brauche es freie Forschung. Eine derartige Forschung dürfe und könne nicht einfach von dem für die Durchführung der diözesanen Untersuchung zuständigen Bischof in Auftrag gegeben werden, "weil das Ergebnis solcher Forschung von der Öffentlichkeit – auch innerhalb der Kirche – als nicht unabhängig anerkannt, sondern als interessengeleitet betrachtet werden würde", so Ackermann im Dekret.
Dies gelte grundsätzlich auch für Forschung im Auftrag der Schönstatt-Bewegung selbst, teilte das Bistum Trier auf Anfrage mit. "Die Ergebnisse einer von der Schönstatt-Bewegung beauftragten oder von Mitgliedern der Schönstatt-Bewegung selbst durchgeführten Forschung wird nicht ohne Weiteres übernommen werden können, ohne dass andere Wissenschaftler sich mit diesen Ergebnissen haben auseinandersetzen können, um sie durch eigene Untersuchungen zu bestätigen oder zu verwerfen", so die Sprecherin der Diözese. Studien Schönstatts könnten Anstoß sein zu weiteren klärenden Gesprächen der Wissenschaftler. "Sie allein genügen aber nicht, um die strittigen Fragen endgültig zu klären", betonte die Sprecherin.
Teuffenbach stützte ihre Veröffentlichungen neben Unterlagen der Visitation aus dem vatikanischen Archiv auf Dokumente aus dem Provinzialarchiv der Pallottiner. In einer Archivdokumentation konnte sie zeigen, dass die Vorwürfe bereits der ersten Historikerkommission des 1975 eröffneten Seligsprechungsverfahrens bekannt waren. Im Zuge der Diskussion über die Funde wurde außerdem die Frage aufgeworfen, warum Kentenich sich 1952 nach Milwaukee begeben musste und ob seine Rückkehr nach Deutschland zu der von ihm gegründeten Bewegung im Jahr 1965 mit einer formellen Rehabilitierung verbunden war. Später tauchten auch Vorwürfe sexuellen Missbrauchs durch Kentenich in Milwaukee auf. Ackermann hatte eine Prüfung dieser Vorwürfe angekündigt.
Das Generalpräsidium der Schönstattbewegung und die Marienschwestern hatten die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen, zeigten sich aber in ihren Mitteilungen stets offen für eine transparente Aufklärung. Schönstatt hoffe, "dass auf diesem Weg bezüglich Person, Leben und Werk ihres Gründers so bald wie möglich weitere Transparenz und Klarheit geschaffen werden kann", so die erste Erklärung zur ursprünglich geplanten Einrichtung der neuen Historikerkommission. Die Kentenich-Biographin Schwester Doria Schlickmann hatte in einem Interview auf der Webseite des Schönstatt-Werks unmittelbar nach den ersten Veröffentlichungen die Vorwürfe gegen Kentenich als "Missdeutungen und fälschliche[] Anklagen" bezeichnet. Der Postulator des Seligsprechungsverfahrens bezeichnete die Vorwürfe als "unseriös". Der Versuch der Marienschwestern, die Veröffentlichung von Teilen von Teuffenbachs Archivdokumentation mit einem Unterlassungsantrag zu verhindern, scheiterte vor Gericht. (fxn)
Montag, 4. Juli 2022, 13.15 Uhr: Ergänzt um Position zu Forschung aus der Schönstatt-Bewegung.