Vatikan gibt Straßenzeitung heraus – Papst: "Wunderschönes Werk"
Das Titelbild ist so schmutzig wie das Leben auf Roms Straßen. Mehrere Decken liegen übereinander auf dem steinigen Boden; die Farbe der Graffiti an den Mauern um den Schlafplatz ist abgeblättert. Die Macher des "L'Osservatore di strada", der neuen Straßenzeitung des Vatikan, zeigen in ihrer Erstausgabe deutlich, worum es ihnen geht: authentisch die Geschichten derer zu erzählen, die fernab des "Dolce vita" von Italiens Hauptstadt leben.
Da ist beispielsweise Mimmo. Die erste Doppelseite ist dem 52-jährigen Obdachlosen gewidmet. Seit drei Jahren lebt er auf der Straße. Aus freien Stücken, um sich selbst wiederzuentdecken, wie er sagt. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Daniele Mencarelli erzählt er über das Leben auf Roms Straßen, über Angst und Freiheit. Darüber, wie Menschen ihm begegnen, wie er ihnen begegnet. Über kleine und große Gesten, die sein Leben ein bisschen besser machen.
Bedürftige treffen auf Persönlichkeiten aus der Kultur
Das ist das Konzept der Zeitung: Bedürftige treffen sich mit Persönlichkeiten aus der Kultur – persönlich und auf Augenhöhe. "Beide auf der gleichen Ebene, jeder hat die gleiche Würde, jeder hat den gleichen Respekt", erklärt der Koordinator des Blattes, Piero Di Domenicantonio. Gemeinsam erarbeiten sie dann einen Beitrag für den "L'Osservatore di strada", was so viel wie "Straßenbeobachter" heißt. So sei die Zeitung auch eine Möglichkeit, sich zu treffen, ins Gespräch zu kommen, so Di Domenicantonio.
Mimmos Geschichte ist die erste im Vatikanblatt. Jeden Monat soll eine weitere folgen. Aber es geht nicht nur um Obdachlosigkeit, sondern auch um das Thema Migration, um die Arbeit von Ehrenamtlichen. Zudem erhalten die Bedürftigen die Möglichkeit, sich selbst kreativ auszudrücken. Auf einer Doppelseite mit der Überschrift "Lieder aus der Peripherie" finden sich ihre Lieder, Gedichte und Zeichnungen: ein gemaltes Porträt von Jesus etwa, ein buntes Bild von ihm, umgeben von Kindern. Ein Gedicht erzählt von der Not, nicht schlafen zu können; ein anderes, vom Glück in Rom zu sein.
Diese "revolutionäre Zeitung" solle jenen eine Stimme geben, die normalerweise keine Stimme haben, erklärt der Direktor des "L'Osservatore Romano", Andrea Monda. Weiter solle sie keine Zeitung von und für Bedürftige, sondern vor allem eine mit Bedürftigen sein. Das gemeinsame Gestalten sei wichtig, ergänzt Koordinator Di Domenicantonio: "Sie brauchen sicher kein weiteres Ghetto, in das sie eingesperrt werden."
Der zwölfseitige "L'Osservatore di strada" ist eine Monatszeitschrift. An jedem ersten Sonntag soll sie nach dem päpstlichen Mittagsgebet auf dem Petersplatz ausgegeben werden. Zusätzlich erscheint sie als E-Paper auf der Internetseite des "L'Osservatore Romano". Ein Arbeitskreis ist für die Gestaltung verantwortlich. Unterstützt wird er von verschiedenen Hilfsorganisationen, etwa der Caritas und der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio.
Macher wollen "mit dem Ohr des Herzens hören"
Verteilt wurde das spendenfinanzierte und kostenlose Blatt erstmals nach der Messe zum Festtag von "Peter und Paul" an diesem Mittwoch. Die bei der Ausgabe gesammelten Spenden gehen an die Verteiler – selbst Bedürftige aus dem nahe gelegenen "Palazzo Migliori". Papst Franziskus hatte das ursprünglich als Luxushotel geplante Gebäude 2019 zu einer Obdachlosenunterkunft umbauen lassen.
Das Kirchenoberhaupt lobte die neue Zeitung am Mittwoch als "ein wunderschönes Werk, das von der Basis kommt, von den Armen, als Ausdruck derer, die an den Rand gedrängt sind". Die Macher selbst wollen den Aufforderungen des Papstes an die Medien folgen und "sich die Schuhsohlen ablaufen" sowie "mit dem Ohr des Herzens hören". Der Erfolg gab ihnen schon vor Erscheinen der Erstausgabe recht: Es gebe schon Anfragen zur Umsetzung einer Straßenzeitung aus anderen Städten Italiens.