Austritte: Glaube verdunstet nicht außerhalb der Kirche
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Nicht nur aus Rom werden immer wieder Befürchtungen laut, der Synodale Weg in Deutschland könne zu einer Kirchenspaltung führen. Ich habe eher den Eindruck, der Reformprozess tut gerade das Gegenteil. Der Synodale Weg versucht die institutionelle Kirche in Deutschland gerade noch zu retten. Dabei macht nicht erst die Veröffentlichung der aktuellen Zahlen von Kirchenaustritten deutlich: Längst entwickelt sich so etwas wie eine Parallelkirche, die kontinuierlich wächst, während die verfasste Kirche in ihrer herkömmlichen Form mit der Verwaltung des eigenen Schrumpfens befasst ist. Es ist die wachsende Kirche der Schon- oder Noch-Nicht-Ausgetretenen, denen die Botschaft des Evangeliums viel bedeutet.
In früheren Jahren kommentierten Bischöfe Kirchenaustritte gerne mal mit dem Begriff "Glaubensverdunstung". Inzwischen ist auch vielen in der Kirchenleitung klar geworden: Der Glaube "verdunstet" weniger außerhalb, sondern oft genug innerhalb der Kirche in ihrer bisherigen Gestalt. Als Reaktion darauf entsteht so etwas wie eine neue Glaubensgemeinschaft, die sich nicht mehr über die formale Mitgliedschaft, sondern eher über ein Gefühl der Zugehörigkeit definiert. Für manche, die heute austreten, ist es geradezu eine Frage ihres christlich geprägten Gewissens und ihrer Zugehörigkeit zur Botschaft Jesu, nicht mehr länger Mitglied in der römisch-katholischen Kirche sein zu können. Sie gehen nicht, weil ihr Glaube "verdunstet" wäre, sondern weil er ihnen so viel bedeutet, dass sie befürchten, sie könnten ihn in der konkreten Kirche nicht mehr leben.
Unter ihnen sind einige, die bereits nach neuen Strukturen suchen, so etwa die Kampagne "Umsteuern! Robin Sisterhood e.V.", die aus der Initiative "Maria 2.0" hervorgegangen ist und denen, die aus der Kirche ausgetreten sind, eine Möglichkeit bietet, ihre Kirchensteuer sinnvoll und solidarisch weiterzureichen. Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass Kirchesein in der Tradition der römisch-katholischen Kirche künftig viel stärker darüber bestimmt wird, wo sich Menschen zugehörig fühlen. Dies gilt es anzuerkennen und nicht mit dem Schreckgespenst einer drohenden Spaltung abzuwehren.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.