Keinerlei Hinweise an Bischof Koch über Strafdekret und Vorwürfe

Fall Pilz: Köln versäumte Information an Bistum Dresden und Sternsinger

Veröffentlicht am 06.07.2022 um 13:34 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Der ehemalige Dresdner Bischof Heiner Koch wusste nichts davon, dass gegen den früheren Sternsinger-Chef Pilz ein kirchliches Strafdekret ergangen war – in seinem Bistum verbrachte Pilz den Lebensabend. Auch die Sternsinger wurden zu spät informiert.

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Zum Fall des wegen Missbrauchs mit einem kirchlichen Strafdekret belegten "Sternsinger"-Chefs Winfried Pilz hat es offenbar auch keinen informellen Hinweis des Erzbistums Köln an das Bistum Dresden-Meißen gegeben. Von "Strafdekret, Auflagen oder Kontaktverbot" habe er keine Kenntnis erhalten, erklärte der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der von 2013 bis 2015 Dresdner Bischof war, am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Pilz lebte seit 2010 bis zu seinem Tod im Jahr 2019 als Ruhestandsgeistlicher im Bistum Dresden-Meißen, wo er nach Bistumsangaben auch Vertretungsdienste übernahm. Von 2000 bis 2010 war Pilz Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger". Laut Erzbistum Köln wurde Pilz 2012 beschuldigt, einen "schutzbedürftigen Erwachsenen" in den 1970er-Jahren missbraucht zu haben. Der damalige Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, erlegte dem Geistlichen 2014 eine Geldstrafe auf und verbot ihm den Kontakt zu Minderjährigen ohne Anwesenheit weiterer Erwachsener.

Der Sprecher des Erzbistums Köln, Jürgen Kleikamp, räumte am Dienstag gegenüber der KNA ein, nach der Sanktionierung durch Meisner "hätte unmittelbar danach eine Information an das Bistum Dresden-Meißen stattfinden müssen". Auch vier Jahre später "wäre eine entsprechende schriftliche Information angezeigt gewesen, ist aber bedauerlicherweise ebenfalls ausgeblieben". Im Zuge der vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki initiierten Missbrauchsaufarbeitung hatte das Erzbistum 2018 den Fall neu aufgerollt und ihn der Staatsanwaltschaft gemeldet, die aber wegen Verjährung nicht ermittelte.

Kardinal Woelki laut Erzbistum nie mit dem Fall befasst

Das Bistum Dresden-Meißen hatte nach eigenen Angaben erst im vergangenen Juni vom Fall Pilz und dem Umgangsverbot erfahren. Der aktuelle Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers kritisierte in der "Bild"-Zeitung (Dienstag online) den Umgang mit dem Fall. Er zeige "leider erneut, dass beim Thema Transparenz und Kommunikation insbesondere bei Fällen sexuellen Missbrauchs weiterhin dringender Verbesserungsbedarf besteht".

Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Heiner Koch, heute Erzbischof von Berlin, war von 2013 bis 2015 Bischof von Dresden-Meißen.

Kleikamp wies gegenüber der KNA zugleich Vorwürfe zurück, auch Woelki hätte das Bistum Dresden-Meißen 2018 über den Missbrauchsverdacht informieren müssen. Mit dem Fall Pilz sei der seit 2014 amtierende Kölner Erzbischof zu keinem Zeitpunkt persönlich befasst gewesen, weil die Akten unter seinem Vorgänger Meisner bereits geschlossen worden seien. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller weist dem Kölner Kardinal und seinem Amtsvorgänger wegen der unterlassenen Information eine "Dienstpflichtverletzung" vor.

Wertschätzender Bistums-Nachruf trotz Kenntnis von Tat

Auch das Kindermissionswerk erfuhr erst 2021 von dem Strafdekret und den Vorwürfen. Gegenüber katholisch.de räumte das Erzbistum ein, dass nach der Sanktion durch Kardinal Meisner unmittelbar auch eine Information an das Kindermissionswerk hätte erfolgen müssen. "Auch Im Jahre 2018 wäre eine entsprechende schriftliche Information angezeigt gewesen, ist aber bedauerlicherweise ebenfalls ausgeblieben. Ob es mündliche Hinweise gegeben hat, ist uns nicht bekannt. Das Erzbistum Köln steht in dieser Angelegenheit aktuell mit den zuständigen Personen in Verbindung", so der Sprecher.

Nach dem Tod von Pilz veröffentlichte das Erzbistum einen Nachruf durch den Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal, Pfarrer Mike Kolb. Das Erzbistum habe entschieden, "dass Pfarrer Kolb als ehemaliger Diözesanjugendseelsorger sowie ehemaliger Rektor von Haus Altenberg anlässlich des Todes von Msgr. P. Stellung nimmt", so eine Sprecherin der Erzdiözese. In seinem Nachruf würdigte Kolb Pilz als "begnadeten Prediger und tiefgläubigen Charismatiker, der in der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil als Diözesanjugendseelsorger und Leiter der Bildungsstätte Haus Altenberg viele junge Menschen im Glauben inspiriert, bestärkt und begleitet hat". Hinweise auf die Taten waren in dem Nachruf nicht zu finden. Gegenüber katholisch.de sagte die Sprecherin, Kolb habe "die Person P. so beschrieben, wie er sie erlebt hat". Zu diesem Zeitpunkt sei er über die Vorwürfe informiert gewesen. "Pfarrer Kolb hat zum ersten Mal in einer Dienstbesprechung mit dem Interventionsbeauftragten im Laufe des Jahres 2018 davon erfahren", so die Sprecherin weiter. (fxn/KNA)