Zum 50. Todestag des ehemaligen Patriarchen von Konstantinopel

Patriarch Athenagoras: Einsatz für Einheit aller christlichen Kirchen

Veröffentlicht am 07.07.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Papst Paul VI. trifft am 25. Juli 1967 in der Sankt Georgskirche in Istanbul den Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.
Bild: © KNA

Bonn ‐ Athenagoras' Treffen mit Paul VI. hat Geschichte geschrieben. Seit fast tausend Jahren trafen sich erstmals wieder ein Papst und ein Patriarch von Konstantinopel. Das hatte auch mit der Zerrissenheit der Orthodoxie und der Weltlage zu tun.

  • Teilen:

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war noch nicht abgeschlossen, die "ökumenische Entspannung" wurde aber bereits sichtbar: Papst Paul VI. traf auf seinen Konterpart aus Konstantinopel, Athenagoras I. Die Bilder des Treffens in Jerusalem galten damals als sensationell, waren Rom und Konstantinopel doch fast tausend Jahre getrennt. Vor 50 Jahren, am 7. Juli 1972, starb Athenagoras, der mit dem Bischof von Rom die "Nacht der Trennung" in der christlichen Welt beenden wollte.

Ihr Treffen sollte tatsächlich der Beginn eines "strahlenden und heiligen Tages" zwischen Rom und Konstantinopel werden. Erstmals nach fast tausend Jahren begegneten sich die Patriarchen von Orient und Okzident auf Augenhöhe. Noch bei dem Aufruf Johannes XXIII. an der Beteiligung an einem ökumenischen Konzil hatte Athenagoras in seiner Neujahrsbotschaft 1959 Bedingungen gestellt: Einem Dialog müssten Taten folgen "im Geist der Gleichheit, Gerechtigkeit, geistlicher Freiheit und gegenseitiger Achtung". Der ökumenische Visionär vom Bosporus sprach damals schon von einer eucharistischen Gemeinschaft, der Vereinigung von Ost- und Westkirche.

Die Jerusalemer Begegnung des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel mit Papst Paul VI. im Januar 1964 ebnete dem ökumenischen Dialog zwischen den Nachfolgern der Apostel Petrus und Andreas einen Weg. Als orthodoxer Christ aus Nordgriechenland erlebte Athenagoras die Konflikte des 20. Jahrhunderts, durch die seine Kirche viele Territorien und ihren Einfluss verloren hat, hautnah mit.

Balkankriege als Lebenslehre

Am 25. März 1886 wurde er als Aristokles Spyrou in einem Bergdorf des nördlichen Epirus geboren. Er wuchs als Sohn einer hellenisierten Arztfamilie in der multikulturellen Gesellschaft des Osmanischen Reichs auf. Das Gymnasium besuchte er in Chalki, einer Insel im Marmarameer, wo er auch die Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats absolvierte. Nach der Diakonatsweihe 1910 trat er in den Dienst der Diözese Pelagonia (heutiges Mazedonien). In der Metropolis Monastir, dem heutigen Bitola in Nordgriechenland, lebte der Diakon mit seinem Bischof in der monastischen Bedürfnislosigkeit eines Klosters und nahm den Namen Athenagoras an.

Die Balkankriege sollten für Athenagoras eine Lebenslehre werden. Als er aus seiner Serbien zugeschlagenen Diözese vertrieben wurde, suchte er Zuflucht auf dem Athos. Danach wurde er 1919 Sekretär des Athener Erzbischofs Meletios Metaxakis und trat in den Dienst der nationalen Bischofskonferenz. Er lernte Englisch und begann internationale Kontakte zu knüpfen.

Patriarch Athenagoras überreicht Kardinal Julius Döpfner ein Kreuz
Bild: ©KNA/KNA-Bild

Sein Einsatz sollte der Einheit aller Kirchen dienen: Athenagoras I. (l.), Patriarch von Konstantinopel, überreicht Kardinal Julius Döpfner, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, als Erinnerung an ihre Begegnung am 15. Oktober 1968 in Istanbul ein Kreuz.

Mit 36 Jahren wurde er zum Bischof von Korfu und Paxos gewählt, zum Priester und Bischof geweiht. Der Metropolit mit dem lang wallenden, damals noch schwarzen Prophetenbart musste sich sogleich angesichts der Auswirkungen des Krieges bewähren. Tausende Flüchtlinge aus Kleinasien – Griechen, die von den Türken vertrieben worden waren – mussten integriert werden.

Kontakt mit der katholischen Kirche hatte Athenagoras auf Korfu, der westlichsten Insel Griechenlands – in einer spannungsreichen Situation. Der für die katholische Minderheit zuständige Erzbischof von Brindisi, Tommaso Valeri, hatte faschistische Invasionstruppen gesegnet, die Korfu blutig eroberten und zeitweise besetzt hielten. Athenagoras gelang die Verständigung mit dem Amtsbruder. Dem Katholizismus gewann er die Sonnenseiten ab: So führte er Orgel und Kirchenbänke ein.

Bekannt durch seine ökumenischen Kontakte, galt Athenagoras bald als Musterbischof. Im August 1930 betraute ihn der Ökumenische Patriarch mit der Aufgabe, die junge Diasporakirche der beiden Amerika auf festen Grund zu stellen. Als Erzbischof von New York glückte ihm die Mission, die in politische Lager von Republikanern und Monarchisten zerrissenen Gemeinden zu einen. Er förderte die Anpassung der griechischen Einwanderer an den American way of life, ohne das orthodoxe Erbe preiszugeben.

"Dialog der Liebe" zwischen den "Schwesterkirchen"

So wundert es nicht, dass Athenagoras Wunschkandidat des US-Präsidenten Harry S. Truman bei der Wahl des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel war. Im Kalten Krieg war ein wichtiger Posten zu besetzen, nachdem der größte Teil der orthodoxen Welt an die Sowjets verloren war. Athenagoras, der US-Bürger, nahm 1948 die türkische Staatsbürgerschaft an, um Patriarch von Konstantinopel werden zu können.

Doch auch diese Zugeständnisse an den türkischen Staat konnten die Marginalisierung der griechischen Orthodoxie am Bosporus nicht verhindern. Im Rahmen des Zypernkonflikts wurden 1955 Kirchen von Griechen und Armeniern in Istanbul zerstört; ein neuer Exodus begann. Tief enttäuscht bemühte sich der Patriarch seit der Brandnacht nicht mehr vorrangig darum, ein loyaler türkischer Staatsbürger zu sein. Vielmehr wirkte das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie vor allem für die Einheit der autokephalen Kirchen. Das brachte ihm den Ruf ein, "Amerikaner" oder "Türkenfreund" zu sein.

Sein Einsatz sollte der Einheit aller christlichen Kirchen gelten. Nach der Begegnung Athenagoras' mit Paul VI. in Jerusalem wurde die Aufhebung der Bannsprüche aus dem Jahr 1054 in der Öffentlichkeit am 7. Dezember 1965, dem Vorabend des Konzilsendes, beachtet. Patriarch und Papst begründeten einen "Dialog der Liebe" zwischen den "Schwesterkirchen". Athenagoras hat mit Paul VI. das große Vermächtnis hinterlassen, dass "Petrus und Andreas zusammenarbeiten wie Brüder".

Von Simon Kajan (KNA)