Debatte um Abtreibungen: Weg von der aggressiven Rhetorik
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Zwei. Eins. Acht. Nichts triggert in katholischen Debatten so sehr wie diese drei Ziffern. Sobald es um Abtreibung geht und um die einschlägigen Bestimmungen des Paragrafen 218, wird die Tonlage schrill, die Rhetorik aggressiv. Manche argumentieren so bösartig, dass man schwerlich glauben kann, es gehe ihnen um den Schutz des Lebens. Dann nämlich verdiente auch das geborene Leben eine sorgsame, pflegliche, geschwisterliche Behandlung.
Wer im jüngsten "Zeit"-Artikel von der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, nicht durchgängig das Interesse erkennt, das Lebensrecht ungeborener Kinder zu verteidigen, der muss schon sehr voreingenommen lesen. Der Paragraf 218 dürfe "unter keinen Umständen in seiner Substanz angetastet werden", schreibt Stetter-Karp völlig unmissverständlich. Ihre Kritiker aber stürzen sich reflexhaft und einseitig auf die Forderung, es müsse ein flächendeckendes Angebot für Schwangerschaftsabbrüche geben. Sie echauffieren sich über etwas, was nur im Gesamt der Argumentation verständlich ist.
Vielleicht hätte Stetter-Kerp noch deutlicher machen müssen, warum es wichtig ist, dass überall in Deutschland grundsätzlich die Möglichkeit (!) eines medizinisch sicheren Abbruchs gewährleistet ist. "Verabscheuungswürdig", wie die Splittergruppe "Maria 1.0" mit einem hingedeichselten Konzils-Zitat zetert, ist daran jedenfalls rein gar nichts.
Der deutsche Staat setzt im Schwangerschaftskonfliktgesetz mit vorzeigbarem Erfolg darauf, das ungeborene Kind zusammen mit der Mutter zu schützen. Dieser Ansatz ist richtig und dient in doppeltem Sinn dem Lebensschutz. In der Konsequenz liegt es dann aber auch, dass Frauen "in Ausnahmesituationen" (Paragraf 219 StGB) einen Abbruch vornehmen lassen können. Rechtswidrig, aber straffrei.
Dieses ohnehin fragile und von verschiedener Seite angegriffene Konstrukt gerät zusätzlich in Gefahr, wenn die Rechte der Frauen offen oder versteckt unterlaufen werden. Sei es, dass sie von seriösen Informationen über eine Abtreibung durch Ärztinnen und Ärzte abgeschnitten werden sollen (Paragraf 219a); sei es, dass ihnen der Zugang zu einer Abtreibung faktisch erschwert oder verwehrt wird. Solche Unwuchten in der Praxis stellen das Rechtsgefüge in Frage. Deshalb will Stetter-Karp sie behoben wissen.
Gerade die katholische Kirche sollte in ihrem Einsatz für das ungeborene Leben nicht den Verdacht nähren, sie nehme die Rechte der Frauen nicht gar so wichtig. Die Flanke, die sie hier bietet, ist schon offen genug.
Der Autor
Joachim Frank ist "DuMont"-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadt-Anzeiger". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.