Theologe: Kirchliche Beschäftigte durch neue Grundordnung vereinnahmt
Der Caritaswissenschaftler und Theologe Bruno Schrage sieht im Entwurf der neuen Grundordnung für den kirchlichen Dienst eine übergriffige Vereinnahmung aller kirchlichen Beschäftigten für den Sendungsauftrag der Kirche. In einem Beitrag für das Fachportal "Experteninitiative Religionspolitik" (Donnerstag) beklagt der Grundsatzreferent des Kölner Diözesancaritasverbands, dass der Entwurf auf die "Passung der Mitarbeitenden" zu einem "wenig reflektierten vorgegebenen Verständnis der Kirche als Institution bzw. Trägerin von Einrichtungen und Diensten" abziele. "Der Institutionsanspruch überdeckt den Auftrag und die damit verbundene christliche Praxis. Es geht vielmehr um Zugehörigkeit und somit eine spürbare Vereinnahmung von sogar Andersgläubigen oder Religionslosen in das System Kirche", erläutert Schrage. Auch das Bekenntnis zur Vielfalt, das erstmal im kirchlichen Arbeitsrecht auftauchen soll, werde so relativiert, da damit doch höhere dienstliche Anforderungen an das Privatleben gestellt werden können: "Das Bekenntnis zur Diversität wird eingefangen im Modus der kirchlichen Sendung und somit ekklesial harmonisiert und beruflich privatisiert", so Schrage weiter.
Das sei aber "hoch übergriffig, da Religion anders als ein beruflicher Anstellungsvertrag, immer Zugriff auf die ganze Person – sozusagen ihr Heil – nehmen will", urteilte der Theologe. Diese Spannung werde nicht aufgelöst, sondern "lediglich kaschiert". Damit gehe der Grundordnungsentwurf sogar hinter vorige Fassungen zurück, die nach Tätigkeit und Religionszugehörigkeit differenziert hatte. In dem im Mai veröffentlichten Entwurf heißt es, dass der Sendungsauftrag Dienstgeber und Mitarbeiterschaft verbinde. "Alle Mitarbeitenden werden dann im Modus der 'Einladung' Teil der Grundvollzüge der Kirche", kritisiert der Theologe: "Wer also im IT/EDV-Bereich oder in der Pflege arbeitet, wird wie der Pastorale Dienst oder die ehrenamtliche Pfarrgemeinderatsvorsitzende aus Sicht des Anstellungsträgers Kirche Teil ihrer 'Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums (kerygma-martyria)', der 'gemeinsamen gottesdienstlichen Feiern (leiturgia), des Dienstes am Mitmenschen (diakonia) sowie der gelebten Gemeinschaft (koinonia)“ (Art. 2 Abs. 4 GrO-Entwurf)."
Vorgaben des EuGH zu wenig berücksichtigt
Der entscheidende Schritt sei bei der neuen Grundordnung unterlassen worden, nämlich kirchlich-konfessionellen Anforderungen tätigkeitsbezogen darzulegen, wie es der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung zum Fall Egenberger gefordert hatte. "Diese Perspektive würde es den Bischöfen ermöglichen, ein gewinnendes Narrativ aus dem kirchlichen Selbstverständnis zu entwickeln", so Schrage. Dem jetzigen Entwurf fehle aber eine theologische Grundlegung. Die bislang geltende "Erklärung der Deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" soll durch eine bloße "Erläuterung" ersetzt werden. Ohne eine Einigung der Bischöfe auf eine gemeinsame theologische Grundlage sei es aber fraglich, ob die Grundordnung "überhaupt noch eine konsistente theologische Selbstbeschreibung der Katholischen Kirche und aller Bischöfe widerspiegelt". Die ungeklärte rechtliche Qualität der "Erläuterungen", die nach Schrages Ansicht eine wesentlich engere Auslegung des kirchlichen Arbeitsrechts vornehmen als der Normtext der Grundordnung allein, lasse ihren Stellenwert offen.
Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes regelt die Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts. In der zuletzt 2015 reformierten, derzeit geltenden Form stellt sie vor allem Anforderungen an Mitarbeitende hinsichtlich Verhalten und Lebensführung. Der im Mai vorgestellte Entwurf verzichtet weitgehend auf derartige Loyalitätsobliegenheiten und verschiebt den Fokus auf Bedingungen, wie das christliche Profil einer kirchlichen Einrichtung gesichert werden kann. Erstmals soll Vielfalt rechtlich als Bereicherung im kirchlichen Dienst gefasst werden. Der Entwurf stieß größtenteils auf positive Reaktionen, zuletzt beim Katholischen Krankenhausverband Deutschlands (kkvd). Kritik äußerten die Gewerkschaft ver.di und queere katholische Organisationen sowie kirchliche Mitarbeitervertreter, die mangelnde Beteiligungsrechte und "überholte und realitätsferne" Anforderungen an Beschäftigte beklagten. Auch der Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Markus Graulich, zeigte sich skeptisch angesichts der weggefallenen Anforderungen an das Privatleben von Mitarbeitenden. Zu den Grundpflichten der Gläubigen gehöre es, auch in ihrem eigenen Verhalten immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren, so der Kirchenrechtler. (fxn)