Ordenshochschulen – warum nicht?
Im Augenblick laufen die Debatten heiß um das Für und Wider von Theologie an staatlichen Universitäten, wie sie im deutschsprachigen Raum gang und gäbe ist. Die Gründe für die verschiedenen Argumentationsketten sind vielfältig – am wenigsten geht es um die Bedeutung der Beeinflussung durch das Lehramt. Hier spielt eine Rolle der Kampf um den Erhalt und die quantitative Reglementierung der vielen katholischen theologischen Fakultäten, der Stand bestehender Hochschulen von Orden und Geistlichen Gemeinschaften im institutionellen Raum. Nicht zuletzt geht es um überraschend gelandete Fakultäts-Raumschiffe wie die "Kölner Hochschule für Katholische Theologie" (im Jargon auch "Woelki-Hochschule" genannt). Die Kirchengeschichte erinnert daran, dass kirchliche Studieneinrichtungen von Ordensgemeinschaften durchaus ihren Stellenwert und Eigenstand hatten.
"Es geht also um die Frage, wieweit die Bettelorden mit ihren studia, die sie an den Universitätsorten hielten und die mit der jeweiligen Universität verbunden waren, im Rahmen dieses Gefüges ihre eigene Ordenstheologie bewahren, vertiefen oder gar weiterzuverbreiten vermochten, bzw. umgekehrt von vorherrschenden Trends an den Universitäten mitgeprägt und darin verändert wurden."
Dieses Zitat aus einem Vortrag (1988) des Kirchenhistorikers Isnard W. Frank, seines Zeichens Dominikaner und Professor sowohl an diversen Ordenshochschulen als auch an der Mainzer Universität, markiert die wesentlichen Punkte, wenn es um Studium, Forschung und Wissenschaft von Ordensleuten geht. Selbst wenn der Autor des Zitats seinen Akzent auf die Bettelorden im Mittelalter setzt, betrifft diese Punkte sämtliche Studienhäuser von Orden und gilt nicht nur für die Gründerzeit.
Eine theologische Alternative – Anfänge der ordensinternen Ausbildung
Der Gründung und dem Unterhalt von ordenseigenen Studieneinrichtungen wohnen unterschiedliche Motive inne. Am allerwenigsten war der Grund für eine Hochschulgründung die Anmaßung, besser sein zu wollen als die bestehenden Einrichtungen. Neben den Kathedralschulen, die Ausbildungsstätten der Bischöfe für ihre zukünftigen Priester waren, gab es die Studieneinrichtungen der Klöster, die ausschließlich der internen Ausbildung des Ordensnachwuchses vorbehalten waren. Erst als im Hochmittelalter die Universitäten gegründet wurden und dort die theologischen Fakultäten ihren Platz neben den anderen Fakultäten eroberten, kam Bewegung in die akademisch-theologische Landschaft. In der Epoche der Hochscholastik etablierten sich die akademischen Lehrer der theologischen Fakultäten – die Magistri – und bildeten den Lehrkörper, der sich in der Regel aus den Klerikerständen der Diözesen rekrutierte. Mit dem Aufkommen der Bettelmönche veränderte sich das Bild, wenngleich dies in zwei Etappen geschah: Zunächst einmal war es einem Ordensstifter wie Dominikus schlicht ein Anliegen, den Brüdern seines gerade gegründeten Ordens eine angemessene Ausbildung zuteil werden zu lassen, da ihm die Standardstudien des Klerus seiner Zeit als nicht ausreichend vorkamen. Zudem sah er die Chance, aus dem Pool der Theologiestudenten Nachwuchs für den eigenen Orden zu rekrutieren, was sich als ein überaus erfolgreiches Modell erwies.
Als es aber darüber hinaus dazu kam, dass sogar Magistri sich dafür interessierten, in den Dominikanerorden einzutreten, veränderte dies auch die universitäre Landschaft. Denn im Gegensatz zu heute war ein Magister ein recht freier Unternehmer, dem ein Lehrstuhl übertragen war. Als aktive Magistri in den Orden eintraten, nahmen sie ihren Lehrstuhl mit, das heißt, der ehemalige Klerikermagister unterrichtete mit einem Mal als Magister des Dominikaner- oder Franziskanerordens. Diese Lehrstühle wurden zuweilen zur Erbmasse, wenn also einmal ein Ordensmitglied auf einem Lehrstuhl saß, wurde dieser nach dessen Aktivität einem anderen Ordensmitglied übertragen. Damit wurde die theologische Fakultät zu einem Ort mit hoher Präsenz von Ordensleuten.
Die Orden waren interessiert, mit ihren eigenen theologischen Studien in die Universität eingebunden zu werden, ohne aber sich bedingungslos der Universität unterwerfen zu müssen. So erkannten unter anderem die theologischen Fakultäten der Pariser und Toulouser Universität die Bettelordensstudien an und integrierten die Magistri der Bettelorden in die Fakultät. Jeder Lehrstuhl hatte seinen fachspezifischen Schwerpunkt und man legte seitens der Orden Wert darauf, überdurchschnittlich begabte Brüder auf die Lehrstühle zu berufen. Das gleiche galt für Studierende: Sie bekamen ihre Ausbildung normalerweise in den jeweiligen Konventen, in die sie eingetreten waren; für den Fall, dass jemand besonders begabt war, entsandte man ihn an die großen theologischen Fakultäten beziehungsweise an das "Studium Generale". Für die Bettelmönche waren die theologischen Fakultäten also kein Ort für die grundlegenden Studien, sondern sie waren für sie Promotionsfakultäten. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts studierten Bettelmönche zunehmend an den philosophischen Fakultäten, wenngleich es keine Philosophie-Lehrstühle gab, die mit dem Ordensstudium verbunden waren. Es gab nach wie vor Studienhäuser der einzelnen Bistümer (Kathedralschulen oder Priesterseminare), die aber in der Regel bestenfalls in der Lehre, aber selten in der Forschung herausragende Vertreter vorweisen konnten, da sie deutlich praxisorientiert waren in der Ausbildung künftiger Pfarrseelsorger.
Mit der Zeit vermehrte sich die Zahl der theologischen Fakultäten, die oft Teil der Universität wurden. Auch die Orden legten mehr Wert auf eine Regionalisierung ihrer Studien. Die Zahl ihrer Studienhäuser stieg ebenfalls an.
"Klitsche"? – Von wegen!
Die eingangs gestellte Frage von Frank, inwieweit die Bettelorden an und in den Universitäten ihr Profil schärfen konnten beziehungsweise profiliert und konstruktiv an der theologischen Lehre und Forschung teilhaben konnten, lässt sich gut beantworten: Die Theologiegeschichte zeigt, dass es nicht nur in der Blüte der Hochscholastik die Ordensinstitute waren, die herausragten. Sehr knapp zu nennen sind paradigmatisch die "Schule von Salamanca", die im ausgehenden 15. Jahrhundert eine wichtige Rolle mit Vertretern wie Francisco de Vitoria ("Vater des Völkerrechts") spielte, und die vielen Hochschulen (oft Philosophisch-Theologische Hochschulen genannt) im Europa des beginnenden 20. Jahrhunderts. Wie in jeder theologischen Fakultät auch gab und gibt es in ordenseigenen Hochschuleinrichtungen einzelne sehr gute Lehrer beziehungsweise Forscher, die über den guten Durschnitt des Kollegiums hinausreichen. Die Theologie des 20. Jahrhunderts war wesentlich geprägt von Ordensleuten, die gar nicht oder nur temporär an einer staatlichen Fakultät lehrten, sondern oftmals an ordenseigenen Instituten: Zu nennen sind die Dominikaner Edward Schillebeeckx, M.-Dominique Chenu, Yves Congar und Otto Hermann Pesch. Hinzu kommen die Jesuiten Oswald von Nell-Breuning und Karl Rahner, aber auch der Franziskaner Leonardo Boff oder der Redemptorist Bernhard Häring. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Von daher trifft der zuweilen hinter vorgehaltener Hand genutzte polemische Begriff der "theologischen Klitsche" nicht den tatsächlichen Sachverhalt.
Kölner Hochschule für Katholische Theologie – legitim, aber sinnlos
In dieser Tradition stehen die Ordenshochschulen bis heute und sie übernehmen die Verantwortung dafür, akademische Standards zu halten oder gar zu steigern. Schon längst nicht mehr besteht das wissenschaftliche Personal nur aus Mitgliedern der Hochschulträger, sondern es handelt sich um Laien und Priester, die nach einem offenen Wettbewerb auf die Lehrstühle berufen wurden. Die Hochschulen bewegen sich also in vielerlei Hinsicht auf Augenhöhe mit den staatlichen Fakultäten an der Universität. Ähnlich verhält es sich mit den international präsenten Universitäten der Orden (neben den in Rom angesiedelten Gregoriana, Salesianum, Angelicum, San Anselmo und anderen). Ein gewisser Vorteil der Ordenseinrichtungen ist die Möglichkeit, sich leichter ein gemeinsames theologisches Profil zu geben, das oft gründet auf die spirituellen und theologischen Spezifika ihrer historischen Ursprünge. Dies bedeutet aber nicht, plurale Positionen des Lehrkörpers künstlich zu vereinheitlichen. Es zeigt sich, dass die vielen Seminare in diözesaner Trägerschaft im Vergleich weniger an Forschung, sondern mehr an einer anwendungsorientierten Lehre interessiert sind, was verständlich und nachvollziehbar ist.
Im deutschsprachigen Raum sind die Bistümer einverstanden, ihre Seminaristen auf staatliche oder kirchliche Hochschulen (auch von Orden) schicken zu können, statt eigene kleine Studieneinheiten unterhalten zu müssen. Die "Kölner Hochschule für Katholische Theologie" stellt hierbei eine gewisse Ausnahme dar. Auf dem Territorium des Erzbistums gibt es eine sehr gute staatliche Fakultät, der man fachliche Defizite nun wirklich nicht nachweisen kann. Eine zusätzliche bischöfliche Hochschule ist – institutionell gesehen – legitim, aber sinnlos. Theologisch gesehen, wird sich zeigen, welches Design die Hochschule für sich beanspruchen wird und welchen Platz sie zwischen staatlicher und ordenseigener Einrichtung findet. Der Gerechtigkeit halber muss man dazu auch bedenken, dass das für viele befremdliche Konstrukt dieser Einrichtung aus einer Ordenshochschule hervorgegangen ist, deren Ordensleitung froh und erleichtert war, die Trägerschaft abtreten zu können.
Mythos – theologisches Heil nur an staatlichen Universitäten
Es ist also reiner Mythos, dass "gute Theologie" ausschließlich an staatlichen Fakultäten getrieben werden kann. Der Vorteil der öffentlichen Einrichtungen ist eine deutlich bessere Besoldung und ein Stab von Mitarbeitenden, der den Lehrenden hilft, einen größeren akademischen Output zu ermöglichen. Aber die Geschichte und die gegenwärtige Situation zeigen, dass die Lehrenden und Forschenden der kirchlichen Hochschulen qualitätsadäquat und zuweilen mit dem besonderen Profil einer bestimmten ordenseigenen Einrichtung auftreten. Ein Automatismus von staatlicher Besoldung und besonderem theologischen Esprit hingegen lässt sich damit nicht herstellen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, dass die theologischen Fakultäten mit den benachbarten Fakultäten ins interdisziplinäre Gespräch kommen. Allerdings stehen dem die verschiedenen Ordenshochschulen im interdisziplinär ausgerichteten Diskurs schon lange nicht mehr nach, denn als eine "Insel" verstehen sie sich seit langem nicht mehr. Im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde das Inseldasein oftmals auch noch recht plastisch ausgedrückt durch die Entscheidung, Standorte auf dem platten Land zu errichten, was sich als reichlich anachronistisch erwiesen hat – wenngleich es gar nicht befremdlich daherkommt, dass etwa in den USA viele Hochschulanlagen mit teilweise exzellenter Reputation am Stadtrand errichtet wurden.
So kann die eingangs seitens Isnard Frank gestellte Frage, inwieweit die Orden mit ihren Studieneinrichtungen um und an Universitäten nicht nur Ordenstheologie bewahren und verbreiten konnten, sondern auch von Trends an den Universitäten profitierten, mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden. Und noch viel mehr – mit einigen Persönlichkeiten und Schulen haben sie auch neue Trends in den theologischen Diskurs eingebracht.
Es ist in der aktuellen Debatte ratsam, die verschiedenen Möglichkeiten akademischen Studierens, Lehrens und Forschens unvoreingenommen zu würdigen und als miteinander korrelierend im Blick zu behalten.
Der Autor
Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP ist geschäftsführender Direktor des Institut M.-Dominique Chenu in Berlin.