Was geschah im Dortmunder "Sankt Vincenzheim"?

Früheres katholisches Waisenhaus arbeitet Missstände ab 1945 auf

Veröffentlicht am 18.08.2022 um 15:24 Uhr – Lesedauer: 

Dortmund ‐ Im Dortmunder "Sankt Vincenzheim und Waisenhaus" erfuhren Medienberichten zufolge junge Mädchen körperliche Misshandlung und wirtschaftliche Ausbeutung. Die Ereignisse in der katholischen Einrichtung werden nun wissenschaftlich aufgearbeitet.

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Das Sankt-Vincenz-Jugendhilfe-Zentrum in Dortmund lässt seine Geschichte der Heimerziehung und Missstände der Nachkriegsjahrzehnte aufarbeiten. Die Einrichtung, die früher von katholischen Ordensschwestern geführt wurde, beauftragte laut eigenen Angaben von Mittwoch die Dortmunder Historikerin Barbara Vosberg und den Paderborner Theologen Andreas Henkelmann mit einer Studie. Sie sollten ergebnisoffen und unabhängig arbeiten.

Vosberg und Henkelmann würden Akten aus dem Zentrumsarchiv, dem Ordensarchiv der Paderborner Vinzentinerinnen und dem Archiv des Landesjugendamtes als zuständige Heimaufsicht auswerten, so die Einrichtung. Sie rief ehemalige Heimbewohnerinnen und -bewohner sowie Angehörige auf, sich zu melden. Gespräche mit Zeitzeugen seien ein weiterer Baustein der Aufarbeitung. Der Untersuchungszeitraum werde sich wegen der "eingeschränkten Quellensituation" vermutlich von 1945 bis in die 1990er-Jahre erstrecken. Das Erzbistum Paderborn befürworte die Studie und beteilige sich an den Kosten, hieß es.

Körperliche Misshandlung und wirtschaftliche Ausbeutung

Das "Sankt Vincenzheim und Waisenhaus" in Dortmund eröffnete 1903. In den Nachkriegsjahrzehnten erfuhren dort Medienberichten zufolge jugendliche Mädchen körperliche Misshandlung und wirtschaftliche Ausbeutung. Ab 2009 sollte ein "Runder Tisch Heimerziehung" die Missstände aufarbeiten. Der Prozess habe jedoch an einer "Lagerbildung" zwischen Vertretenden von Institutionen und der ehemaligen "Zöglinge" gekrankt, erklärte das Zentrum. Man wolle nun auf eine "Annäherung beider Pole" hinwirken.

Heute betreut das Sankt-Vincenz-Jugendhilfe-Zentrum eigenen Angaben zufolge rund 300 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige sowie Familien und Alleinerziehende. Es bietet stationäre, teilstationäre und ambulante Wohn- und Betreuungsformen an. Zu der Einrichtung gehören auch eine Außenstelle in Hamm sowie zwei Förderschulen für emotionale und soziale Entwicklung in Dortmund und Hamm.

Auch das Erzbistum Paderborn lässt derzeit in einer Studie den Umgang in der Diözese mit Missbrauch wissenschaftlich aufarbeiten. Ein Zwischenfazit im Dezember attestierte den früheren Paderborner Erzbischöfen Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt gravierendes Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern unter den Geistlichen. Auch die Amtszeit des heutigen Erzbischofs Hans-Josef Becker wird von einer Aufarbeitungskommission untersucht. (tmg/KNA)

Kontakt

Das Sankt-Vincenz-Jugendhilfe-Zentrum ruft Zeitzeugen auf, sich bei der Historikerin Barbara Vosberg unter 0151-18682444 oder historische.aufarbeitung@svjz.de zu melden. Die Gespräche fänden vertraulich statt.