Fällt der Rosenkranz der Cancel Culture zum Opfer?
Steve Doocy hält seine Zuschauer bei "Fox & Friends" in Atem. "Rachel, versuchen die, den Rosenkranz zu canceln?", fragt der TV-Moderator seine Kollegin Rachel Campos-Duffy. "Wer hätte gedacht, dass du und ich für Rechtsextremisten gehalten werden, nur weil wir einen Rosenkranz haben?", antwortet sie mit besorgter Miene und richtet eine Warnung an das Millionen-Publikum der Sendung: "Das ist das Erste, was Autokraten tun: Sie versuchen, Religion zu delegitimieren."
Die Zuschauer mussten raten, wer wohl mit der Kritik gemeint sein könnte. Präsident Joe Biden jedenfalls nicht, denn der Katholik hat bekanntermaßen selbst einen Rosenkranz in der Tasche. "Wir sollten verstehen", meint Campos-Duffy, "dass Glaube und speziell das Christentum weltweit unter Beschuss stehen".
Rosenkranz als Symbol für Rechtskatholiken
"Fox & Friends" ereiferten sich über einen Artikel im Magazin "The Atlantic", der sich kritisch mit einem vermeintlichen Trend auseinandersetzt. Autor Daniel Penneton vertritt die These, dass der Rosenkranz speziell unter rechtsgerichteten Katholiken in den USA eine Art symbolischen Stellenwert bekommen habe – ähnlich wie das Schnellfeuergewehr AR-15 unter einigen Nationalisten.
Er zitiert den renommierten Theologen Massimo Faggioli, der ein Netzwerk konservativer katholischer Blogger und Kommentatoren ausgemacht haben will, das sich als "Cyber-Miliz" verstehe. Die Gruppe mobilisiere gezielt etwa gegen eine Akzeptanz von LGBTI-Menschen. Als einschlägige Website mit fast 300.000 Abonnenten aus dem Spektrum wird "Church Militant" genannt.
Pennetons Beitrag hebt hervor, dass im "Mainstream"-Katholizismus das Bild des Rosenkranzes als Waffe gegen das Böse keine problematische Konnotation habe. Aber unter radikal-traditionalistischen katholischen Männern, so die Ansicht des Schreibers, führe das zu einer Übersteigerung, "die in der Fantasie gründet, die eigene Familie und Kirche gewaltsam gegen Brandschatzer verteidigen zu müssen".
Der eigentümliche Artikel wäre nach Meinung etlicher Beobachter wohl weitgehend unbeachtet in den Archiven verschwunden, hätten nicht "Fox & Friends" ihn zum Anlass genommen, die Empörungsmaschinerie konservativer Kulturkrieger zu befeuern.
"Der heißeste Club New Yorks ist die katholische Kirche"
Das private katholische Mediennetzwerk CNA/EWTN sprang auf den Zug auf. Ähnlich wie bei vergangenen Diskussionen über einen angeblichen "Krieg gegen Weihnachten" kritisiert der Konzern eine "antikatholische" Stimmung in den meisten Medien. Mit Befremden wird darauf verwiesen, dass "The Atlantic" den Online-Titel der Geschichte veränderte: von "How the Rosary Became an Extremist Symbol" (Wie der Rosenkranz ein extremistisches Symbol wurde) zu "How Extremist Gun Culture is Trying to Co-Opt the Rosary" (Wie die extremistische Waffenkultur versucht, den Rosenkranz für sich zu nutzen).
Begleitend zur "Atlantic"-Kontroverse schrieb Julia Yost vom konservativen Magazin "First Things" in einem Gastbeitrag für die "New York Times" über einen Trend unter Hipstern: Traditionelle Symbole des Katholizismus würden in der Szene immer beliebter, so die Autorin. "Der heißeste Club New Yorks ist die katholische Kirche", steht über dem Artikel, der von einer "Entzauberung der progressiven moralischen Mehrheit" handelt.
Yost macht das etwa an jungen Influencern aus dem Big Apple fest, die in Podcasts oder anderen Internet-Beiträgen über ihren Übertritt zum Katholizismus schwärmen. Doch den Ausführungen kann man zugleich eine gehörige Portion Skepsis entnehmen. Irgendwann würden die neuen, coolen Konvertiten mit der vollen Tragweite der katholischen Lehre konfrontiert, meint Yost. Wenn sie dann feststellten, dass der Rosenkranz mehr sei als nur eine Modeerscheinung, werde sich die Spreu vom Weizen trennen.