Akzente des ZdK-Präsidiums zum Thema Abtreibung sind richtig
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Als Historikerin bin ich immer wieder verblüfft, wieviel 19. Jahrhundert in der Gegenwart steckt. Aktuell macht der Umstand betroffen, dass Frauen als Reaktion auf die Entscheidung des Supreme Court in den USA wie seinerzeit Rezepte für pflanzliche Abtreibungsgetränke teilen. Mit der Aufhebung von Paragraf 219a StGB ist aber auch hierzulande die Debatte über Abtreibungen wieder entflammt. Inzwischen steht selbst Paragraf 218 (und damit das weltweit einmalige Schwangerschaftskonfliktberatungsmodell) zur Diskussion.
Es spricht viel dafür, dass die Auseinandersetzung angesichts der (im internationalen Vergleich) relativ starken parlamentarischen Konsens-Kultur nicht die Schärfe der Debatten in Übersee annimmt. Dafür sollten sich gerade die Katholik:innen einsetzen. Den Eindruck von moralischer "Militanz" zu vermitteln, wäre das letzte, was dem Katholizismus noch diente. Auch Metaphern wie aus der Herder-Korrespondenz, wonach jetzt eine "Front" bröckele, sind wenig dienlich, geschweige denn stimmig. Umfragen in den 1970er und 1980er Jahren zeigten, dass die Mehrheit westdeutscher Katholik:innen für Positionen votierte, die mit denen des kirchlichen Lehramtes und den Einlassungen von Deutscher Bischofskonferenz (DBK) und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nicht im Einklang standen. Allerdings blieb diese Mehrheit medial stumm, während der organisierte Katholizismus lautstark den Eindruck erweckte, als wäre man eine "Front".
Darauf zu setzen, dass sich diese Konstellation heute wiederholen könnte, wäre falsch. Denn erstens waren die Kampagnen schon damals nicht erfreulich, erkennbar an den erschreckend weit verbreiteten Vergleichen mit dem Holocaust. Zweitens ist nach dem Missbrauchsskandal nicht damit zu rechnen, dass die Kirche als Moralagentur noch Gehör findet. Und drittens hat damals die Perspektive von Betroffenen gefehlt. Die Einlassungen zu Abtreibungen standen und stehen nicht nur im Kontext des Schutzes des ungeborenen Lebens, sondern auch in einer langen, durchaus düsteren Tradition der Kirche, über Frauenkörper bestimmen zu wollen. Beide Diskursstränge gilt es in Rechnung zu stellen. Dass ein weiblich geprägtes ZdK-Präsidium hier neue Akzente setzt, ist ebenso erwartbar wie richtig.
Die Autorin
Birgit Aschmann ist Professorin für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.