Als Richter macht der Papst beim Thema Missbrauch keine gute Figur
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Papst Franziskus macht keine gute Figur im Umgang mit Bischöfen, denen Vertuschung oder Übergriffe vorgeworfen werden. Die jeweiligen prominenten Fälle sind alle anders gelagert und lassen sich auf persönliche Versäumnisse des Papstes zurückführen, die in der Logik des Papsttums liegen: Warum hatte Franziskus zunächst den chilenischen Bischof Juan Barros wortmächtig in Schutz genommen, um sich nachher auf einen zu schlechten Informationsstand zu berufen und Fehler einzugestehen? Warum holte er den mittlerweile wegen Missbrauchs zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilten argentinischen Bischof Gustavo Zanchetta nach dessen Rücktritt auf eine neu geschaffene Stelle in den Vatikan? Warum lässt er Vorwürfe der Übergriffigkeit gegen Kurienkardinal Marc Ouellet von einem fachlich nicht qualifizierten Vertrauten des Kardinals untersuchen?
Dabei kann man Franziskus nicht vorwerfen, nichts getan zu haben: An päpstlicher Gesetzgebung zum Umgang mit Bischöfen mangelt es in diesem Pontifikat nicht. Mit den Motuproprien "Come una madre amorevole" (2016) und "Vos estis lux mundi" (2019) erließ er Verfahrensregeln zur Untersuchung von Vorwürfen gegen Bischöfen und Ordensoberen. Zur Reform des kirchlichen Strafrechts gehörte auch eine Neuordnung der Sexualdelikte.
An einem Grundproblem ändern aber auch diese Verbesserungen der Rechtslage nichts: Es fehlt in der Kirche allgemein und bei Papst Franziskus im Besonderen an einem Verständnis für Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz. Bischöfe ermitteln gegen Bischöfe, Bischöfe urteilen über Bischöfe, die römischen Dikasterien vereinen neben ihren Verwaltungsfunktionen Aufgaben, die in einem säkularen Rechtssystem auf Staatsanwaltschaften und Gerichte verteilt sind, der Papst ist zugleich oberster Dienstvorgesetzter und oberster Richter – bei Verfahren von Kardinälen sogar einziger Richter. Dass Richter für Verfahren gegen Bischöfe auf den jeweiligen Fall bezogen vom Papst bestimmt werden, und dass er das Berufungsverfahren des Erzbischofs von Guam persönlich zur Entscheidung an sich zog, hatte Franziskus bei einer seiner fliegenden Pressekonferenzen 2018 als Entschiedenheit und Ernstnehmen präsentiert – vom rechtsstaatlichen Prinzip des gesetzlichen Richters ist das weit entfernt.
Das macht wenig Hoffnung auf eine angemessene rechtliche Bewältigung von Missbrauch und Vertuschung in der Kirche. Ändern kann an den Verfahren nur der Papst etwas. Das müsste er wollen. Sein Handeln spricht dagegen.
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.