Weltsynode: So sortiert das Synodenteam die Rückmeldungen
Seit Oktober 2021 läuft sie: die Weltbischofssynode zur Synodalität in der Kirche. Für Papst Franziskus ist Synodalität "das, was Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet". Weil die Kirche aber in den vergangenen 2.000 Jahren vergessen habe, dass sie nur synodal existieren könne, hat Papst Franziskus ihr nun gut zwei Jahre Synodalitätskunde verschrieben. Die Kirche solle an der konkreten Erfahrung von Synodalität arbeiten und wachsen.
Dazu ließ der Pontifex in einem ersten Schritt ein Synodenteam zehn Fragen in alle Bistümer schicken und bat um rege Beteiligung. Jeder habe dabei eine Rolle zu spielen: Die Bischofssynode sei für alle da, niemand dürfe ausgeschlossen, alle sollten beteiligt werden, predigt der Papst unermüdlich. Ziel der vergangenen Monate war es, in den Diözesen "den Reichtum der dort gelebten Erfahrung von Synodalität in ihren verschiedenen Ausdrucksformen und Facetten zusammenzutragen", heißt es im Vademecum der Bischofssynode. Durch die Aufteilung der Weltbischofssynode in diözesane Phase, kontinentale Phase und globale Phase erhoffen sich die Synodenplaner ein "wahrhaftiges Hinhören auf das Gottesvolk" – man wolle Dialog durch Zirkularität schaffen. Synergien zwischen Laien, Bischöfen und dem Papst sollen genutzt werden, um jeden nach seiner Funktion einzubinden. Durch die drei Stufen der Bischofssynode soll die Synode zu einem gesamtkirchlichen Prozess werden und etwas von ihrem einmaligen, exklusiven und allein bischöflichen Ereignischarakter verlieren. Die erste Phase wurde Mitte August 2022 beendet.
Beteiligung außerhalb Europas größer
Die bis dahin eingegangenen Rückmeldungen aus der Weltkirche und ein Blick auf die diözesanen Bestrebungen zur Beteiligung aller zeigen nun: Man konnte nur einen Bruchteil der Angesprochenen erreichen. Während der Papst energisch aufforderte, "mehr als 3, 4 oder 5 Prozent" der Menschen zu erreichen, konstatiert die Deutsche Bischofskonferenz, dass die Anzahl der Erreichten "im untersten einstelligen Prozentbereich" liege. Die italienische Bischofskonferenz verzeichnete eine Beteiligung von unter einem Prozent, andere nationale Zusammenfassung nennen erst gar keine Zahlen. Schwester Nathalie Becquart, Untersekretärin der Bischofssynode, sagte, dass man sich dieser Probleme bewusst sei. Jedoch ist das für sie das ein Problem einzelner Länder, andernorts habe man es schließlich geschafft, beispielsweise die Jugend zu mobilisieren. Die Synoden-Synode müsse daher global gesehen werden und nicht auf Länder wie Frankreich, wo die Jugendbeteiligung ähnlich gering war wie in Italien oder Deutschland, beschränkt werden. Ähnlich äußerte sich auch der Generalrelator der Bischofssynode, Kardinal Jean-Claude Hollerich. Die laufende Synode sei in der Geschichte der Kirche ohne Beispiel und das "nicht nur wegen der Quantität der eingegangenen Antworten oder der Zahl der Beteiligten (die einigen, die sich nur auf Zahlen stützen wollen – die nur annähernd sein können – begrenzt erscheinen mag), sondern auch wegen der Qualität der Beteiligung."
So berichtete man in Rom auch schon vor Abschluss der ersten Phase über Erfolge: So sei die diözesane Phase 2021-2022 für viele Menschen das erste Mal gewesen, dass die Kirche sie überhaupt gefragt habe, was sie denken und was sie beitragen können: "Papst Franziskus hat es immer wieder gesagt und Kardinal Mario Grech und ich haben es immer wiederholt: Dies [die diözesane Phase] ist die wichtigste Phase der Synode, weil es darum geht, dem Volk Gottes zuzuhören – in all seiner Diversität", Nathalie Becquart in einem katholisch.de-Interview. Natürlich habe es dabei auch Schwierigkeiten, Herausforderungen und Widerstände gegeben. "Aber das ist bei einem Veränderungsprozess normal. Es geht schließlich um eine Synodalisierung, eine synodale Bekehrung der Kirche." Wie diese Bekehrung der Kirche aussehen soll, hat Rom im Vorbereitungsdokument der Synode formuliert: "Die Hirten, von Gott als authentische Hüter, Ausleger und Zeugen des Glaubens der ganzen Kirche bestellt, fürchten daher nicht, der ihnen anvertrauten Herde zuzuhören: Die Konsultation des Gottesvolkes bringt keineswegs die Übernahme der Prinzipien der Demokratie, die auf dem Mehrheitsprinzip beruhen, im Inneren der Kirche mit sich." Es gehe auch nicht um die Vertretung von unterschiedlichen Interessen, die womöglich untereinander in Konflikt stünden, vielmehr sei die Synode ein Prozess, der sich "menschlicher Logik entziehe". Es handle sich um einen kirchlichen Prozess, "der nicht verwirklicht werden kann, außer im Leib einer hierarchisch strukturierten Gemeinschaft."
Die Beteiligung aller in synodalen Prozessen vollzieht sich also in ihren je verschiedenen Rollen und demnach mit differenzierter Beitrags- und Handlungskompetenz. Dahinter steht die katholische Idee des "suo modo" – also eine spezifische, vom Geschlecht und Stand abhängige Art und Weise des Handelns. In dieser Art der Konsultation zeige sich das Wesen der synodalen Kirche als "gemeinsames Gehen" des Volkes Gottes. Die nun aus der ersten Phase nach Rom übermittelten Zusammenfassungen zeigten, inwieweit Synodaliät in den Ortsgemeinden gelebt werde, ist sich Synodenchef Grech sicher. "Aus den Ergebnissen werden wir erkennen, wie viel wir noch tun können, damit alle mehr Verantwortung übernehmen und sich einbringen."
Über die erste Phase der Weltsynode hat Rom jetzt Rechenschaft abgelegt und einen Ausblick auf die nächste Etappe geworfen. Am vergangenen Freitag traten der Synodenchef Grech und sein Team in Rom vor die Presse. Kardinal Hollerich berichtete von den Einsendungen nach Rom. So erreichten das Synodenbüro etwas mehr als 100 Zusammenfassungen der insgesamt 114 Bischofskonferenzen. Sie enthalten Synthesen der Befragungen von Pfarreien, Verbänden, geistlichen Bewegungen, Universitäten, Ordensgemeinschaften und ähnlichen Gruppen. Ebenso schickten die katholischen Ostkirchen und die Generaloberen der Internationalen Union der Generaloberen Zusammenfassungen nach Rom. Auch einige Dikasterien schickten Wortmeldungen aus ihren Tätigkeitsbereichen an das Synodenteam, erstmals habe auch das Staatssekretariat die Apostolischen Nuntien befragt und eine Eingabe gemacht. Allein eine Aktion des Kommunikationsdikasteriums habe, so Hollerich, bis zu 20 Millionen Menschen erreicht. Mehr als tausend Beiträge seien zudem von "einzelnen Gläubigen, kirchlichen Gruppen oder nicht offiziell von der örtlichen Kirchenbehörde anerkannten Gruppen" eingegangen. Hollerich versicherte, dass man alle diese Beiträge sorgfältig lesen und ernst nehmen werde.
Heiße Eisen und Synodaler Weg
Inhaltlich ging das Synodenteam nicht auf die Rückmeldungen ein. Man sehe, dass Klerikalismus überall ein Problem sei, sagte Becquart. Die "heißen Eisen" wie Macht, Gewaltenteilung, Frauen in der Kirche und Sexualmoral, die in einigen Rückmeldungen zur Sprache kamen, thematisierte Grechs' Team auch auf mehrmalige Nachfrage nicht. Angesprochen auf den Synodalen Weg in Deutschland und ähnliche Themen bei der Weltsynode zitierte Synodenchef Grech aus dem Schreiben des Papstes "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland". Diese Themen dürften nicht ignoriert werden, seien aber immer im Kontext des Lehramtes und der Weltkirche zu sehen. Das gelte für die Weltsynode und auch für den Synodalen Weg in Deutschland. Beide seien jedoch völlig verschieden, betonte Grech. Rom hatte Ende Juli 2022 in einem Brief dazu aufgefordert die Beratungen des Synodalen Weges in die der Weltsynode einzubringen. Mit Blick auf die kirchliche Lehre zu LGBTQI-Personen betonte Kardinal Hollerich, man wolle keine kirchlichen Lehren ändern, viel mehr ginge es um das Zuhören und Offensein. "Ich möchte keine Änderung der Lehre. Ich möchte die Haltung der Kirche ändern. Ich möchte, dass sich alle willkommen fühlen", sagte der Kardinal.
Um die Rückmeldungen aus aller Welt inhaltlich zu bewältigen, hat man sich in Rom einen ausgeklügelten Prozess überlegt. Zurzeit lese eine Gruppe alle Eingänge. Sie besteht aus dem Synodenteam um Kardinal Grech und 25 weiteren Personen. Man habe das Team so ausgewählt, dass "eine gewisse Mischung in Bezug auf die geografische Herkunft (mindestens drei pro "Kontinent", etwas mehr für Europa und Asien), die kirchliche "Stellung" (7 Diözesanpriester, 7 Ordensleute und 11 Laien) und das Geschlecht (9 Frauen und 16 Männer) gewährleistet ist", erklärt Giacomo Costa. Er ist Konsultator im Synodensekretariat und organisiert die Sichtung der Eingänge. Die Materialien seien so aufgeteilt und zugeordnet worden, dass sie von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und disziplinären Kenntnissen mehrmals gelesen würden. Anschließend werde jede Person die von ihr gelesenen Texte zusammenfassen. Dies geschehe in einem geistlichen Prozess, betont Costa. Wichtig sei nicht nur, was am häufigsten genannt worden sei, sondern auch das was nur in einem einzigen Beitrag auftauche. Zurzeit arbeite jeder bei sich zuhause, ab dem 20. September komme das Team aber für vierzehn Tage zusammen, um sich ein Gesamtbild der Einsendungen zu machen und die "tiefsten Kerne und wichtigsten Elemente" herauszuarbeiten. Anschließend werde man verschiedene Textteile schreiben, die dann – "von zwei Laien", betont Costa – zum Dokument für die kontinentale Phase verarbeitet würden.
Normalerweise würde daraus das Arbeitsdokument der Bischofssynode. Doch diesmal hat man sich dazu entschieden, in einer kontinentalen Phase dieses Dokument noch einmal an die Ortskirchen zurückzugegeben. Durch diese Zirkularität wolle man die "Achtung der Akteure des synodalen Prozesses" garantieren, sagte Synodenchef Grech. Man bitte die Ortskirchen, das vom Synodensekretariat erstellte Dokument noch einmal zu lesen und dabei rückzumelden, ob es den synodalen Horizont, der sich in den Teilkirchen des jeweiligen Kontinents herausgebildet habe, abbilde. Wichtig sei in dieser kontinentalen Phase vor allem das Einordnen des Zusammengefassten in den jeweils spezifischen Kontext. Man bitte aber auch um kritische Anmerkungen. Es handle sich um einen Dialog, der "nicht nur zwischen den Teilkirchen und der Universalkirche stattfindet, sondern in gewisser Weise auch zwischen den einzelnen Teilkirchen, insbesondere innerhalb jedes Kontinents", klärt Costa auf. Die Synode sei kein Prozess der fortschreitenden Abstraktion, "der sich allmählich vom Boden, von der alltäglichen Realität löst, um sich auf immer entferntere Ebenen zu erheben", sondern ein Prozess des Gehens und Wiederkehrens. Dieser Idee wolle man mit dem Zwischenschritt einer kontinentalen Relecture Rechnung tragen. Auch hier seien, wie schon während der ersten Phase, möglichst viele zu beteiligen. Aus den Rückmeldungen der sieben kontinentalen Bischofskonferenzen wird dann, mit einem "möglichst breiten und bewussten kirchlichen Konsens", das Arbeitsdokument der Weltbischofssynode 2023 erstellt. Dazu wird es auch kontinentale Versammlungen geben. Das europäische Treffen findet vom 5. bis 12. Februar 2023 in der Tschechischen Republik statt.
"Alle" – "Einige" – "Einer"
Schließlich erreicht die Synoden-Synode im Herbst 2023 ihren Höhepunkt mit dem großen Bischofstreffen in Rom. Diese Veranstaltung solle die vorhergehenden Phasen nicht überschatten, betont das Synodenteam immer wieder. Vielmehr gehe es darum, mit weltkirchlichem Überblick die Eingebungen zu reflektieren und für die Gesamtkirche zu ordnen. Dem Papst ist es wichtig, dass dabei deutlich werde, dass auch er ein Bischof unter Bischöfen ist – der als Nachfolger des Heiligen Petrus "in Liebe über alle Kirchen herrscht". Nach Abschluss der Bischofssynode 2023 wird er daher aus den Ratschlägen seiner Bischofskollegen ein Nachsynodales Schreiben verfassen. Das Synodenexperiment folgt damit – so beschreibt es die Erfurter Dogmatikprofessorin Julia Knop – dem katholischen Synoden-Dreisatz: "Alle" – "Einige" – "Einer". Doch mit der feierlichen Bischofssynode endet das Projekt noch nicht. Ihr schließt sich ein letzter Schritt an: die Umsetzung. Dazu wird der Papst den Spieß umdrehen. Ging das Wort bisher vom Kirchenvolk durch das Ohr der Bischöfe zum Papst, ist es dann Aufgabe der Bischöfe und des Kirchenvolkes, den päpstlichen Entschluss des Nachsynodalen Schreibens umzusetzen. Auf diese Weise werde sichtbar, so der Papst, dass der synodale Prozess nicht nur seinen Ausgangs-, sondern auch seinen Zielpunkt im Volk Gottes habe.