Arbeiten für den Papst zwischen Hassmails und Geheimbotschaften

Blick hinter die Kulissen: So wird die Bischofssynode organisiert

Veröffentlicht am 11.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Der Papst hat der Kirche mehr Synodalität verordnet, die Bischofssynode 2023 ist ein wichtiger Baustein dazu. In Rom laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Katholisch.de hat im Büro der Synode vorbeigeschaut und einiges über Hassmails, Besonderheiten der Weltkirche und Geheimbotschaften erfahren.

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Die Sonne brennt auf das römische Kopfsteinpflaster. Pilgergruppen strömen zielstrebig gen Petersdom. Werden sie nicht gerade von zwielichtigen Ticketverkäufern aufgehalten oder machen Selfies, haben sie ihr Ziel klar vor Augen: Sankt Peter. Dieser Effekt wird durch die monumentale Architektur der Via della Conciliazione verstärkt. Die hohen römischen Palazzi fristen ein Schattendasein. Dabei beherbergen sie bedeutende Botschaften, Kardinalswohnungen oder vatikanische Behörden – nur vereinzelte Fahnen oder Wappen an den Fassaden geben einen Hinweis auf das, was sich hinter dicken Mauern verbirgt. Manchmal bleiben aufmerksame Touristen vor den schweren Holzportalen stehen und zücken ihr Smartphone, wenn ein Auto mit vatikanischem Kennzeichen herausfährt. Je kleiner der Wagen, desto eher könnte der Papst darinsitzen, mögen sich viele denken. Was aber hinter den Mauern wirklich passiert und wie es dort aussieht, bekommt auf der Straße niemand mit. In einem dieser Palazzi wird diesen Sommer auf Hochtouren gearbeitet, denn dort hat die Schaltzentrale der Weltbischofssynode ihren Sitz und der Papst hat bekanntlich Großes vor. Die Zeit drängt – die römische Sommerpause fällt aus. Nach Beratungen zur Synodalität in den Diözesen, beraten bald die Bischöfe auf kontinentaler Ebene, bevor es 2023 in Rom auf weltkirchlicher Ebene um Synodalität geht.

Im zweiten Stock des gelb-orangenen Prachtbaus mit der Hausnummer 34, arbeiten Kardinal Mario Grech, Schwester Nathalie Becquart und ihr Team an der Vorbereitung dieser Bischofssynode. Hinter dem großen Portal des Palazzo dei Convertendi liegt ein kleiner Innenhof mit Parkplatz. Dort ist vom Trubel auf der Straße nichts mehr zu hören. "Linkes Treppenhaus, zweiter Stock. Der Aufzug ist rechts", sagt Thierry Bonaventura. Er ist seit gut acht Monaten Teil des Synoden-Teams. Das Treppenhaus ist aus hellem Marmor, im ersten Zwischengeschoss steht eine Papstbüste und erwartet die Besucher, während sie die ersten Stufen erklimmen. Im ersten Stock sind die Büros der Congregatio pro Ecclesiis Orientalibus. So steht es jedenfalls in Stein gehauen und Gold geschrieben im Türsturz. Nach Franziskus' Kurienreform werden hier zwar immer noch die Angelegenheiten der katholischen Ostkirchen gepflegt, doch heißt die Institution seit Anfang Juni Dicasterium pro Eclesiis Orientalibus. Ob hier demnächst wohl umgemeißelt wird?

Bild: ©katholisch.de/Benedikt Heider

Von den meisten unbeachtet arbeitet man im zweiten Stock des römischen Renaissance Palazzo an der Umsetzung der päpstlichen Synodenpläne. Der Palazzo dei Convertendi an der Via della Conciliazione 34 ist extraterritoriales Staatsgebiet des Vatikans und beherbergt Kurienbehörden - also Ministerien des Papstes.

Im zweiten Obergeschoss verrät nur ein kleiner Zettel an der goldenen Klingel, wo man sich befindet: Büro der Bischofssynode. Dafür erlaubt – anders als eine Etage tiefer – eine Glastür den Blick ins Synodensekretariat. Hinter einer halboffenen Flügeltür liegt ein langer Flur. Licht fällt durch das Fenster am Ende des Gangs und spiegelt sich auf dem schwarz-weißen Marmorboden. Bonaventura eilt zur Tür – vorbei an einem Mix aus Antiquitäten, moderner Kunst und beeindruckend langen gelb-weißen Vorhängen. Viele der vatikanischen Möbel und Dekoobjekte stammen aus dem Mobiliendepot des Vatikanstaates, der Floreria. "Willkommen im Vatikan", begrüßt Bonaventura lächelnd und bittet zur Handdesinfektion. Die Büroräume der Bischofssynode sind extraterritorales Gebiet des Heiligen Stuhls. Links, hinter der zweiten Flügeltür stehen zwei wuchtige, dunkelbraune Empfangsschreibtische. Unter der Glasarbeitsfläche liegen Marien- und Papstbilder – dem Chaos an Mappen, Büchern und Arbeitsgerät nach zu urteilen, wird hier fleißig gearbeitet. Auf dem hinteren Tisch steht – wie man es aus Vatikanfilmen kennt – eine Vatikanfahne, darüber hängt ein bemitleidenswert kleiner Kronleuchter – das wäre Hollywood wohl nicht passiert. Auch fehlen die über die Flure eilenden Monsignori. Montags werde nur halbtags gearbeitet, klärt Bonaventura auf. Aber selbst, wenn das Büro voll besetzt sei, wären hier nur rund zehn Mitarbeiter am Werk – Synodenchef, Synodensekretärin und Pressesprecher schon mit eingerechnet. Ihr Reich ist der weitläufige zweite Stock des Renaissance-Palazzo. Die dreijährige, weltweite Bischofssynode ist ein Mammutprojekt mit überraschend kleiner Besetzung.

"Wir wissen nicht was morgen ist. Wir wissen nicht, wohin es führt. Zuhören bedeutet Vertrauen."

Direkt am Eingang hat Bonaventura sein Büro. Das passt: der geschickte Kommunikator ist Brückenkopf des Synodensekretariats. Unermüdlich erklärt er, was sein Chef im Apostolischen Palast meint, wenn er von Synodalität spricht. Er repetiert ganz selbstverständlich Passagen aus den Synodendokumenten – wer sie nicht gelesen hat, könnte meinen, die erbaulichen Sätze seien Bonaventura gerade erst eingefallen. Er weiß, was er wie zu sagen hat. Die Synoden-Synode lebe vom learning by doing, sagt er. Das mache die Arbeit nicht immer einfach, gibt er zu. "Wir wissen nicht was morgen ist. Wir wissen nicht, wohin es führt. Zuhören bedeutet Vertrauen." So weit so bekannt. Auf die deutsche Skepsis, wie man mit so geringem Planungsaufwand ein globales Projekt aufziehen könne und ob es wenigstens einen Plan für die tägliche Arbeit in diesem Büro gebe, fängt er an aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Bild: ©katholisch.de/Benedikt Heider

Wie im Film: Der Empfangsbereich im Bischofssynodensekretariat. Vatikanische Räumlichkeiten ähneln sich sehr. Das ist kein Wunder, denn die Mobilien kommen aus einem gemeinsamen Depot.

Bis zum 15. August sammelt das Sekretariat die Rückmeldungen der nationalen Bischofskonferenzen. Bonaventura deutet auf die zwei Bildschirme hinter ihm. "Das meiste erreicht uns per Mail. Es gibt aber auch Länder, die politische Probleme haben oder infrastrukturell schlecht aufgestellt sind. Da kommen die Zusammenfassungen über das Staatssekretariat oder, wenn es ganz heikel ist, über Boten zu uns." Wie diese Zusammenfassungen der 180 Bischofskonferenzen dann ausgewertet und zum Instrumentum laboris I verarbeitet werden, will er nicht verraten. "Wir bekommen viele Fragen dazu", sagt er. Er verstehe, dass jeder seine Meinung im Arbeitsdokument berücksichtigt sehen wolle, damit sie dann auch in der zweiten Phase auf kontinentaler Ebene zur Diskussion komme. Wie das gewährleistet werden soll, werde er erst im August verraten, wiegelt er jede Nachfrage ab. Weiterfragen sei zwecklos. Eines schiebt er dann doch noch hinterher: "Ich kann Sie beruhigen: Hierfür haben wir einen Plan."

Wie bei dem beliebten Kinderspiel "Stille Post" geht beim weltweiten Synodalen Prozess das Wort vom Kirchenvolk (diözesane Phase) durch das Ohr der Bischöfe (kontinentale Phase und globale Phase) zum Papst. Anfang 2023 beginnt die kontinentale Phase. Diese zweite Phase der Bischofssynode bietet Kontinentalversammlungen der Bischofskonferenzen (Afrika (SECAM); Ozeanien (FCBCO); Asien (FABC); Nahost (CPCO); Lateinamerika (CELAM); Europa (CCEE) und Nordamerika (USCCB und CCCB)) die Möglichkeit, über das erste Instrumentum laboris zu diskutieren. Ihr schließt sich im Herbst 2023 die globale Weltbischofssynode in Rom an. Zu deren Abschluss wird ein nachsynodales Schreiben des Papstes erwartet. Dann ist es die Aufgabe der Bischöfe und des Kirchenvolkes den päpstlichen Entschluss umzusetzen.

Sein zweitwichtigstes Arbeitsgerät sei sein Smartphone mit WhatsApp, sagt Bonaventura. Für viele Menschen sei das die einzige Möglichkeit mit dem Synodensekretariat zu kommunizieren. Viele Berichte, Bilder und Videos, die Bonaventura auf der Homepage veröffentlicht, kämen über diesen Weg. Ihn und sein Team erreichten hunderte von Mails und Nachrichten am Tag, erzählt er. Darunter seien praktische Fragen zum Ablauf, Sorgen einzelner Gruppen oder Erlebnisberichte aus Gemeinden und Diözesen, aber auch Provozierendes oder Aggressives. Ganz besonders viele Mails erreichen die Synodenzentrale, wenn Bonaventura einen Newsletter verschickt. Er betont sein Bemühen, auch dann alle Nachrichten zu beantworten. Das sei wichtig, schließlich wolle man einlösen was man versprochen habe: das Zuhören. Manchmal falle das aber auch schwer.

Hassmails und Know-How

Als Beispiel nennt er Kampagnen zu kirchenpolitischen Streitthemen: "Es ist nicht immer klar, woher und von wem diese Hassmails kommen. Manchmal wissen wir nicht einmal, wer dahintersteckt. Sie sind nicht unterschrieben." Sehe er eine Chance und den Willen gegenseitigen Austausches, beantworte er aber auch diese Mails. Bei unhaltbaren Vorwürfen, orchestrierten Medienkampagnen und plumper Provokation habe aber auch sein Dialogwillen irgendwann ein Ende. "Diese Leute verstehen nicht, was wir wollen. Manche können es vielleicht nicht und andere wollen es einfach nicht", resümiert er. Meist seien die Newsletter Stein des Anstoßes – zuletzt als es um die Beteiligung von LGBTQI-Personen ging. Die monatlichen Informationen werden auf Spanisch geschrieben und dann von einem Team Ehrenamtlicher in verschiedene Sprachen übersetzt. "Wir sind nur ein kleines Team in Rom, aber wir arbeiten Tag und Nacht mit vielen Ehrenamtlern zusammen. Das sind meist junge Leute, die für große internationale Organisationen arbeiten und uns ihr Know-How zur Verfügung stellen." Darunter seien Grafiker, Theologinnen aller Kontinente oder IT-Fachleute. Je nachdem was gerade anstehe, werde eine Task-Force gebildet und das Problem gemeinsam gelöst, erklärt er den modus operandi des Synodensekretariats. Daher gebe es auch keine feste Verkehrssprache. Man spreche das, was gerade am besten passe. Latein sei das aber nicht.

Bild: ©katholisch.de/Benedikt Heider

Im Synodensekretariat gibt es einige Sitzungsräume, die sich auch als gemütliche Wohnzimmer eignen würden. In den Besprechungsräumen finden kleinere Meetings statt. Die beiden Bilder sind die Ikonen der Bischofssynode. "Die Bekehrung des Cornelius" (links) und "Jesus und die Menschen" (rechts)

Überhaupt zeichnet Bonaventura ein flexibles Bild der Arbeit im Synodensekretariat. "Was für Viele ein Problem der Synodalität ist, ist natürlich auch eine Herausforderung für unseren Alltag im Büro der Synoden-Synode." Learning by doing und bewusst flach gehaltene Hierarchien, gepaart mit einem internationalen Kernteam und einem noch internationalerem und dezentralisierten Team Ehrenamtlicher seien ein Risiko. "Aber es ist eben auch eine große Bereicherung", sagt er – in der außervatikanischen Welt würde man das wohl Diversity nennen. Eine flache Hierarchie und die Arbeitsweise, wie Bonaventura sie darstellt, überraschen in einer Institution, die so hoch organisiert und hierarchisiert ist, wie wohl keine andere. Immer wieder spricht Bonaventura von Pluralität und Flexibilität – im Team, in Europa und auf globaler Ebene. Zuhören und Miteinander vorangehen sei das Ziel der Synode und eben auch Grundlage seiner täglichen Arbeit.

Ein gutes Beispiel dafür sei die theologische Kommission der Bischofssynode. Darin arbeiten Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt zusammen. Sie arbeiten dezentral daran, theologische Denkfiguren wie "Communio" oder "sensus fidelium" in verständliche Sprache zu übersetzen. "Natürlich könnte man in den Katechismus schauen und sagen: ‘Da kann man das nachlesen.’ Aber das versteht fast keiner mehr", erklärt Bonaventura ihr Anliegen dahinter. Die Beratungssitzungen finden online statt. Erst einmal, vor wenigen Wochen, kamen die Mitglieder der Kommissionen in Rom zusammen. "Wegen Corona war das davor nicht möglich. Und solche Treffen sind auch sehr zeitaufwendig und teuer."

Wenn die Weltkirche ruft, muss das Mittagessen warten

Die Arbeit auf globaler Ebene koste ihn meist sein Mittagessen. "Die meisten Sitzungen finden zwischen 13 und 15 Uhr statt." Das sei die einzige Möglichkeit gleichzeitig mit Asien und Amerika zusammenzukommen. Für die einen ist es dann früh am Morgen und die anderen sind schon fast bettfertig. Wenn mittags mal keine Sitzung ist, geht das Synodenteam gerne gemeinsam in die vatikanische Kantine hinter der Porta Sant'Anna in den Vatikan. Ein fester Bestandteil des Tages ist der gemeinsame, morgendliche Kaffee als Zeit für ein schnelles Update. Für weitere Absprachen gibt es eine WhatsApp-Gruppe, in der Kardinal Grech auch gerne mal Updates von seinen Reisen verbreitet oder Mitarbeitenden zum Hochzeitstag gratuliert.

Bild: ©katholisch.de/Benedikt Heider

In vatikanischen Behörden ist eine Kapelle Pflicht: Einmal pro Woche trifft sich hier das Synodenteam und feiert gemeinsam Gottesdienst.

Dienstags trifft sich das Team zur gemeinsamen Eucharistiefeier. Die Kapelle – sie gehört zur Pflichteinrichtung vatikanischer Behörden – liegt zwei Räume hinter Bonaventuras Büro zur Via della Conciliazione hin. In ihren modernen Fenstern ist unter anderem das Wappen von Franziskus eingelassen. Der Raum atmet die kühle Badezimmeratmosphäre moderner Sakralräume Italiens, wobei man hier – ganz untypisch – gar nicht erst versucht, diese Atmosphäre durch einen wilden Topfblumenmix zu kaschieren. "In der Kurie beten viele Dikasterien den Angelus am Mittag. Weil wir nur selten alle zusammen sind, haben wir beschlossen, stattdessen dienstags eine gemeinsame Messe zu feiern", sagt Bonaventura. Rund um die Kapelle liegen einige Sitzungsräume, die sich auch als gemütliche Wohnzimmer eignen würden. In den Besprechungsräumen finden kleinere Meetings statt. Lockere Sitzgruppen oder kleine Tische mit Blumen stehen dazu zur Verfügung.

Nebenan klappert eine Tastatur. Dort sitzt Schwester Natalie Becquart in ihrem Büro.  Auf der anderen Seite liegt ein großer Konferenzsaal. Auf weiß bespannten Stühlen um einen großen, U-förmigen Konferenztisch finden größere Besprechungen statt – an der Kopfseite hängt ein Gemälde der Kreuzigung, darüber schwebt ein Beamer. Jeder Platz hat ein Mikrofon. Aktuell arbeite aber jeder in seinem Büro – wegen Corona. Gegenüber dem Konferenzraum ist ein kleiner Technikraum. Darin steht ein Kopierer. Ob er im August heiß laufen werde, wenn es an die Erstellung des Instrumentum laboris I geht? Bonaventura lacht: "Er wird eine Rolle spielen."

Von Benedikt Heider