Schlosser kritisiert öffentliche Abstimmungen bei Synodalversammlung
Die Wiener Theologieprofessorin Marianne Schlosser hat die öffentlichen Abstimmungen bei der vierten Synodalversammlung als satzungswidrig und unmoralisch kritisiert. Die Ablehnung eines Antrags mehrerer Mitglieder der Synodalversammlung auf geheime Abstimmung über den Handlungstext zur Einrichtung eines Synodalen Rats sei "skandalös" gewesen, sagte Schlosser in einem Interview mit dem Internetportal "CNA Deutsch" am Wochenende. Schlosser gehört als Synodale der Versammlung des Synodalen Wegs an und verließ aus Protest gegen die fast durchgehend namentlichen Abstimmungen gemeinsam mit einer weiteren nicht genannten Teilnehmerin das Treffen am Mittag dessen dritten Tages vorzeitig.
Nach der Ablehnung des Grundtextes zur Sexualmoral aufgrund der fehlenden Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe am ersten Tag der Synodalversammlung wurde eine namentliche Abstimmung über die weiteren anstehenden Texte beantragt. Zuvor wurden die Abstimmungen geheim durchgeführt. Laut Geschäftsordnung des Synodalen Wegs könne zwar eine namentliche Abstimmung in der Synodalversammlung beantragt werden, so Schlosser. Doch dies geschehe "unbeschadet eines möglichen Antrags auf geheime Abstimmung", zitierte sie aus der Geschäftsordnung. Zudem sehe die Satzung des Reformprozesses vor, dass ein Antrag von mindestens fünf Mitgliedern der Synodalversammlung eine geheime Abstimmung ermögliche.
Schlosser empört über Fehlen von "geschütztem Raum"
Da bei der vierten Synodalversammlung zwei gegensätzliche Anträge vorgebracht worden seien, hätte der Interpretationsausschuss im Sinne der Regelung der Satzung entscheiden müssen, da diese Vorrang vor der Geschäftsordnung habe, falls beide Dokumente in einen Konflikt geraten würden, so Schlosser. Letztlich sei der Antrag auf geheime Abstimmung der fünf Synodalen der Versammlung zur Entscheidung vorgelegt und abgelehnt worden. Doch an keiner Stelle von Satzung oder Geschäftsordnung sei die Abstimmung über einen Antrag auf geheime Abstimmung vorgesehen, kritisierte Schlosser das Vorgehen. Sie sei empört darüber, "wie mit einem klassischen Recht umgegangen wird, das dem Minderheitenschutz dient".
Grundsätzlich begrüße sie es, wenn bei den Abstimmungen klar gemacht werde, wer in der Synodalversammlung wofür gestimmt habe, sagte Schlosser. Sie sieht in den öffentlichen Abstimmungen jedoch ein Druckmittel der reformorientierten Synodalen, mit dem die Bischöfe, "die sich bislang nicht 'geoutet' hatten", gegängelt werden sollten. Die Theologin bemängelte, dass es keinen "geschützten Raum" für die Bischöfe gegeben habe, die noch nicht bereit gewesen seien, "Farbe zu bekennen". Dabei sei dies nach Ansicht von Papst Franziskus ein notwendiges Kriterium für echte Synodalität.
Schlosser bestritt, dass es den meisten Bischöfen beim Synodalen Weg um die Verhinderung von Missbrauch gehe. "Ich vermute, dass viele Bischöfe die Sorge treibt, durch 'Reformverweigerung' Gläubige der Kirche zu entfremden, noch mehr Kirchenaustritte verantworten zu müssen." Zudem sei der Vorwurf vieler Synodaler an die Bischöfe ungerecht, sich in der Vorbereitungsphase der Texte des Synodalen Wegs nicht genügend eingebracht zu haben. Nicht alle hätten etwa einen Platz in den Synodalforen gehabt und viele seien versucht, "aufzugeben, wenn Argumente gewissermaßen auf den gepflasterten Weg fallen, zertreten und weggekehrt werden". Die bewahrend orientierten Synodalen würden persönlich angegriffen und "in die Ecke gestellt". Auf die Frage, ob sie nach ihrer vorzeitigen Abreise vor anderthalb Wochen an der fünften Synodalversammlung im Frühjahr 2023 teilnehmen werde, beantwortete Schlosser mit einer Gegenfrage: "Können Sie mir einen Grund sagen, weswegen ich 'zurückkommen' sollte?" Alle weiteren Beschlüsse würden von den Bischöfen abhängen. (rom)