Herbst-Vollversammlung der Bischöfe: Viele Krisen auf der Tagesordnung
Nicht wenige Bischöfe werden sich wohl mit einem etwas mulmigen Gefühl nach Fulda aufgemacht haben. Dort beginnt heute die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz – und nach der vierten Synodalversammlung vor etwas mehr als zwei Wochen wird das Treffen der Oberhirten vermutlich nicht besonders angenehm werden. In Frankfurt am Main war der Grundtext des Forums "Leben in gelingenden Beziehungen" an der fehlenden Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe gescheitert. Eine Minderheit von konservativen Bischöfen nutzte ihre Sperrminorität, um einen grundlegenden Ansatz zur Neuformulierung der katholischen Sexualmoral zu verhindern. Das stürzte den Synodalen Weg in eine Krise, sogar von einem vorzeitigen Ende der Synodalversammlung war die Rede. Viele Synodale fühlten sich von den Bischöfen verraten, denn die Bewahrer hatten trotz zahlreicher Möglichkeiten, ihre Meinung zu äußern, aus ihrer Sicht erst bei der Abstimmung Farbe bekannt – was zu einem Schock führte. Die weiteren Texte wurden angenommen, wohl auch, weil in der Folge namentlich abgestimmt wurde. In Fulda müssen die Bischöfe diesen Scherbenhaufen nun zusammenkehren.
Das wird keine leichte Aufgabe für die deutschen Oberhirten, denn seit dem Eklat des abgelehnten Sexualmoral-Grundtextes werden die Stimmen lauter, die eine "Krise des Bischofsamtes" ausmachen. Zwar hatte der Münsteraner Bischof Felix Genn schon im Juli 2021 diesen Begriff benutzt, um das Ringen der Bischöfe nach der Klärung ihres Amtes zu beschreiben, als er sich für einen konsequenten kooperativen Führungsstil auf Pfarrei- und Bistumsebene aussprach. Doch schon kurz nach dem Scheitern des Grundtextes meldeten sich in der Synodalversammlung Teilnehmer zu Wort, die auf die große Kluft zwischen Bischöfen und Gläubigen hinwiesen. Im Nachgang des Treffens schloss sich auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf dieser Diagnose an: "Deutlich tritt ein Spalt zwischen dem Volk Gottes und seinen Hirten zutage, der uns nicht gleichgültig sein darf", sagte er vor einer Woche in einer Predigt. Daher werden die deutschen Bischöfe mit Sicherheit dieses Thema auf die Agenda ihrer Vollversammlung setzen.
Bei der intensiven Beschäftigung mit dem Bischofsamt wird es für die Oberhirten nicht nur darum gehen, wie sie von außen wahrgenommen werden – auch das eigene Selbstverständnis wird wichtig sein. Schon bei der Synodalversammlung führten mehrere Bischöfe das bei der Weihe gegebene Gehorsamsversprechen gegenüber dem Papst und der kirchlichen Lehre an, um ihr Nein zu weitreichenden Reformen zu begründen. Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp begann mit dieser Argumentation, weitere Bischöfe folgten und erst in der vergangenen Woche sagte der Augsburger Bischof Bertram Meier, dass die Beratungen beim Synodalen Weg ihn zu einem Spagat nötigen, bei der auch das bischöfliche Gehorsamsversprechen, "dass ich den Glauben in der Tradition der Kirche – in Einheit und in Unterordnung mit dem Papst – verkünden will", eine große Rolle spielt. Die Frage, wie das bischöfliche Amt in Zukunft gelebt und ausgefüllt werden kann, wird bei der Vollversammlung Gegenstand der Beratungen sein. Konfrontative Gespräche zwischen der reformorientierten Mehrheit und der bewahrenden Minderheit der Bischöfe bei diesem Ringen um Selbstvergewisserung sind zu erwarten.
Ein Aspekt, der dort hineinspielt, ist die Einrichtung eines Synodalen Rats als Verstetigung des Reformprozesses. Bei der jüngsten Synodalversammlung wurde mit einer großen Mehrheit von über 90 Prozent der Stimmen der Delegierten beschlossen, einen Synodalen Ausschuss ins Leben zu rufen, der die Gründung eines neuen bundesweiten Beratungs- und Leitungsorgans für die Kirche vorbereiten soll. Dieses Gremium könnte die bischöfliche Vollmacht beschneiden, wenn wohl auch nur im Rahmen von Selbstverpflichtungen der Bischöfe, sich an die Entscheidungen des Rates zu halten – so wie es in einigen Bistümern durchaus schon mit Blick auf die Diözesanräte geschieht. Doch auch hier bleibt die Kernfrage, wie das bischöfliche Amt in Zukunft in einer synodalen Kirche gelebt werden kann.
Neuer Missbrauchsbeauftragter wird gesucht
Neben der Krise des Bischofsamtes und dem Synodalen Weg ist zu erwarten, dass bei der Herbst-Vollversammlung der Bischöfe auch die weiteren Krisen der Kirche eine Rolle bei der Vollversammlung spielen werden: Die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln ist immer noch nicht gelöst, Papst Franziskus lässt Kardinal Rainer Maria Woelki weiterhin in der Schwebe, hat über dessen Rücktrittsgesuch noch nicht entschieden. Gleichzeitig spitzt sich die Kontroverse um das Hochschul-Projekt des Kardinals stetig zu. Die Landesregierung forderte das Erzbistum jüngst auf, das Preußenkonkordat zu wahren und keine Priesteramtskandidaten an der Kölner Theologie-Hochschule ausbilden zu lassen. Zudem ist die dauerhafte Finanzierung der von Kritikern als konservative Kaderschmiede verschrienen Einrichtung nicht geklärt. Beobachter fühlen sich an die Krise im Bistum Limburg erinnert, die 2014 im Rücktritt des damaligen Diözesanbischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst gipfelte. Die Mitglieder der Bischofskonferenz werden sich deshalb eine schnelle Lösung in Köln wünschen.
Mit Blick auf den kirchlichen Missbrauchsskandal steht bei den Bischöfen ein großer Einschnitt an: Der langjährige Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, hatte schon im Mai angekündigt, sein Amt abzugeben. Seit 2010 managt Ackermann die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere kirchliche Mitarbeiter – eine Aufgabe, um die ihn niemand seiner Bischofskollegen beneidet. Bislang ist deshalb auch nicht klar, wer dem Oberhirten in diesem Amt nachfolgen wird. Eine Aufteilung auf mehrere Schultern verbunden mit dem Aufbau einer eigenen administrativen Struktur für das Amt des Missbrauchsbeauftragten ist denkbar. Dafür spricht besonders die fortschreitende Differenzierung bei dem Thema, da nun auch die Vergehen an Erwachsenen und geistlicher Missbrauch in den Fokus rücken. Zudem liegt gerade eine erste Klage auf Schmerzensgeld aufgrund von Missbrauch gegen ein deutsches Bistum bei einem Gericht vor. Die aktuelle Klage richtet sich gegen das Erzbistum Köln, bei Erfolg könnte jedoch allen Diözesen in Deutschland eine Klagewelle drohen.
Die Krisen der Kirche in Deutschland und die Lösungsversuche auf dem Synodalen Weg werden auch in Rom aufmerksam verfolgt. Gerade zum Reformprozess senden Papst Franziskus und sein Verwaltungsapparat im Vatikan regelmäßig Botschaften, die viel Raum für Interpretationen lassen. Erinnert sei nur an die nicht unterschriebene kurze Mahnung aus dem Vatikan, die auch dazu geführt haben mag, dass einige Bischöfe gegen den Grundtext für eine erneuerte Sexualmoral gestimmt haben. Um aus erster Hand vom Synodalen Weg zu berichten, bietet sich den Bischöfen im November eine gute Möglichkeit. Dann findet der Ad-limina-Besuch der Oberhirten im Vatikan statt. Das letzte Mal war die Bischofskonferenz 2015 beim Papst zu Gast, coronabedingt war es zu einer Verzögerung des eigentlich alle fünf Jahre stattfindenden Besuchs an der "Schwelle der Apostelgräber" statt.
Dieses Treffen will gut vorbereitet sein, was bei der Vollversammlung passieren wird. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hatte schon bei der Synodalversammlung angekündigt, im Rom die bis jetzt gefassten Beschlüsse des Synodalen Wegs vorzutragen, aber auch den abgelehnten Grundtext. Fragen gibt es nach der seit Pfingsten in Kraft getretenen Kurienreform jedoch bezüglich der Besuche der Bischöfe bei den Dikasterien: Während bislang nur wenige Treffen verpflichtend vorgesehen waren, hat sich diese Zahl nun auf fast ein Dutzend erhöht. Auch wenn laut "Praedicate Evangelium" interdikasterielle Treffen bei den Ad-limina-Besuchen möglich sind, fehlt auf diese auch logistische Herausforderung noch eine Antwort.
Bei dieser Fülle an Themen der Vollversammlung ist davon auszugehen, dass das vier Tage dauernde Treffen nur für die Krisenbewältigung und Vorbereitung der anstehenden Termine reichen wird. Die Beschäftigung mit der eigentlichen Arbeit der Bischofskonferenz, die in den Kommissionen stattfindet, könnte zu kurz kommen. Neben allen innerkirchlichen Problemen werden sich die Bischöfe aber Zeit nehmen, um sich auch mit den Folgen der Flut-Katastrophe in mehreren deutschen Regionen vor einem Jahr zu befassen. Bei einem Pressegespräch wird den anwesenden Journalisten präsentiert, wie die Kirche mit Notfallseelsorge und langfristiger Unterstützung den betroffenen Menschen auch heute noch hilft. Die Botschaft der Bischöfe ist klar: Die Kirche kann auch positiv wirken und beschäftigt sich nicht nur mit sich selbst.