Kardinal Marx plädiert für weniger dogmatische Kirche
Eine der Ursachen der Krise der katholischen Kirche liegt nach Ansicht des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, in ihrer Dogmatik. "Die Krise der Kirche ist vielleicht deshalb auch eine Krise einer Institution, die behauptet hat und behauptet, ziemlich viel von Gott zu wissen und seinen Willen autoritativ allen Menschen übermitteln zu können", schreibt Marx in der in Freiburg erscheinenden "Herder-Korrespondenz" (Spezial-Ausgabe Oktober 2022).
Gott bleibe jedoch das absolute Geheimnis, jede Aussage über ihn könne nur eine Annäherung an die Wahrheit sein: "Aber im praktischen Betrieb der Theologie vergessen wir das immer wieder." Wenn die Kirche die selbstgewisse Rede von Gott überwinde und zugleich den Menschen die Gotteserfahrung Jesu zugänglich mache, erreiche sie den Kern christlichen Glaubens. Jesus habe offensichtlich auch keine Doktrin verkündet, sondern durch Beispiele und Gleichnisse vom Reich Gottes verdeutlicht, was die Gegenwart Gottes bedeute. Noch immer kämen ihm manche Evangelisierungskonzepte so vor, als fungiere die Kirche als bloßer Sender von Wahrheiten, denen die Empfängerseite zuzustimmen habe. "So aber gelingt Evangelisierung wohl kaum", schreibt Marx.
Schon bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda hatte der Kardinal vor seinen Amtsbrüdern betont, alle Glaubensaussagen könnten nur "in die Nähe dessen kommen, was wir von Gott wissen". Theologen sollten keine "Behauptungen aufstellen, als hätten sie einen unmittelbaren Zugriff auf die Wahrheit". Es sei eine neue Rede von Gott nötig, "die nicht zu viel weiß und so tut, als wüssten wir genau Bescheid und die anderen bräuchten nur zuzuhören", so der Erzbischof. (tmg/epd)